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Der letzte Operettenkönig.

Franz Lehár zum 150. Geburtstag - Von Stefan Frey


Er war der am meisten aufgeführte Komponist seiner Zeit und der letzte Operettenkönig: Franz Lehár. Mit seinem Tod endete die Geschichte seines Genres, das er mit Werken wie Die lustige Witwe und Das Land des Lächelns geprägt hatte wie kein anderer Operettenkomponist des 20. Jahrhunderts. Als klingende Psychologie seiner Epoche ist Lehárs Werk ein verlässlicher Seismograph all ihrer Umbrüche - von der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bis ins Dritte Reich, wo er selbst als Hitlers Lieblingskomponist mit seiner jüdischen Frau zwischen alle Fronten geriet.

 

Wunderkind

Geboren im damals ungarischen, heute slowakischen Komorn, wächst Franz Lehár als Sohn eines Militärkapellmeister in sechs verschiedenen Garnisonsstädten Österreich-Ungarns auf - ein echtes Tornisterkind, wie es für Armeeangehörige damals typisch ist. Aber schon als Vierjähriger ist Lehár mehr als das, kann am Klavier zu jeder Melodie die richtige Begleitung finden und weiß auch ein gegebenes Thema kunstvoll zu variieren, ist also durchaus ein Wunderkind. Mit zwölf Jahren besteht er die Aufnahmeprüfung im Fach Violine am Prager Konservatorium, wo er als Instrumentalzögling Antonin Dvo?ák kennenlernt. Der bestärkt ihn in seinen ersten Kompositionsversuchen und rät: „Hängen Sie die Geige an den Nagel und komponieren Sie lieber!“ Doch der Vater verwehrt ihm ein Studium - nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, so dass der Sohn schließlich auch die väterliche Laufbahn einschlägt und mit 20 Jahren jüngster Militärkapellmeister der Monarchie in Losoncz wird.

Sehnsucht nach der Oper

Da ihm ein Studium verwehrt blieb, komponiert Lehár eben als Autodidakt und seit seinem sechzehnten Lebensjahr mit unermüdlicher Energie. Es entstehen Klaviersonaten, Violinkonzerte, Lieder, später auch Walzer und Märsche. Seine eigentliche Sehnsucht aber gilt der Oper. Als ihm in der istrischen Hafenstadt Pula das mit über 100 Mann größte Militärorchester zur Verfügung steht, komponiert er das lyrische DramaKukuška und instrumentiert es „auf Zuruf“ zusammen mit seinem Orchester. Obwohl die Uraufführung 1896 in Leipzig gut ankommt, muss Lehár feststellen, dass er allein von seiner Oper nicht leben kann und bleibt vorerst weiterhin Militärkapellmeister.

Operettenerfolge

1899 wird sein Regiment nach Wien versetzt, wo sich Lehár als junger "fescher Dirigent" bei Promenadenkonzerten rasch einen Namen macht und auch als Walzerkomponist reüssiert. So gerät er, wie er selbst es ausdrückt, "ganz ahnungslos und blindlings in die Wiener Operette hinein". 1902 feiert er mit gleich zwei Werken sein Operettendebüt: Wiener Frauen und Der Rastelbinder. Vor allem letzterer erzielt einen großen Publikumserfolg, der dann drei Jahre später um ein vielfaches übertroffen wird - durch Die lustige Witwe. Sie wird mit ihrer raffinierten Verknüpfung von Modernität und Erotik, ihrem neuen Frauenbild und ihrer zwischen Schlager und Musikdrama pendelnden Dramaturgie zur prägenden Operette des zwanzigsten Jahrhunderts. Zugleich ist Die lustige Witwe die erste Operette, deren Rezeption ein globales Massenphänomen darstellt. Die Wiener Operette erlebt dadurch eine weltweite Konjunktur bisher unbekannten Ausmaßes und beherrscht in der Dekade bis zum Ersten Weltkrieg die Bühnen der Welt.

Lyrisches Spätwerk und Tauber

Auch für Lehárs Karriere stellt der Erste Weltkrieg einen Wendepunkt dar. Er beginnt nämlich mit der Form der Operette zu experimentieren, wie etwa in Endlich Allein (1914) oder Frasquita (1922). Seine Bestrebungen, das Genre an die Oper anzunähern, finden beim Publikum allerdings wenig Anklang. Der Komponist stürzt in eine Krise, die er erst Mitte der zwanziger Jahre dank der kongenialen Zusammenarbeit mit dem Tenor Richard Tauber überwindet. Sein erstes für Tauber komponiertes Werk war Paganini, das Lehár als "Geburtstagsgeschenk vom lieben Gott“ bezeichnete. Die Uraufführungen seiner späten Werke finden nun nicht mehr in Wien satt, sondern in Berlin. Gegen Jazz und Revue können sich Lehárs lyrische Operetten ohne Happy end erfolgreich behaupten und sichern ihm so auch in den 20er Jahren seinen Thron als Operettenkönig.

Unterm Hakenkreuz

1934 erreicht Franz Lehár mit seinem letzten Bühnenwerk Giuditta, was ihm mit seinem ersten Kukuška nicht gelungen ist: der lang erhoffte Einzug in die Wiener Staatsoper. Es ist ein gesellschaftliches Ereignis und wird von 120 Rundfunkstationen weltweit übertragen. Nur Deutschland bleibt außen vor. Dort steht Lehár seit der Machtergreifung der Nazis wegen seiner jüdischen Mitarbeiter zunächst auf der schwarzen Liste. Das ändert sich jedoch schlagartig, als Hitlers Vorliebe für Die lustige Witwe bekannt wird. Nun wird Lehár zum Aushängeschild des Dritten Reichs, und lässt sich nur zu gern von dessen Repräsentanten hofieren. So kann er zwar seine jüdische Frau schützen, auch einige seiner jüdischen Librettisten, nicht jedoch Fritz Löhner-Beda, den Textautor eines seiner größten Schlagers: "Dein ist mein ganzes Herz".

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Unser Gastautor Stefan Frey

Studium der Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik an der LMU. 1993 Promotion mit "Franz Lehár oder das schlechte Gewissen der leichten Musik" bei Prof. Dr. Dieter Borchmeyer an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Als Dramaturg, Regieassistent und Regisseur u. a. am: Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Landestheater Tübingen, Thüringer Landestheater Rudolstadt; Gründer und Leiter des Theaters in der Tenne, Maierhöfen. Von 2004 bis 2006 Leiter der Studiobühne des Instituts für Theaterwissenschaft der LMU. Lehrbeauftragter u.a. am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien; Freier Mitarbeiter beim BR,  Deutschlandfunk und SWR; Autor von moderierten, bzw. und szenischen Konzertprogrammen sowie zahlreicher Booklet- und Programmheftartikel. Soeben, im April 2020, ist seine Lehár-Biographie "Franz Lehár. Der letzte Operettenkönig" im Boehlau-Verlag erschienen.


Stefan Frey
Franz Lehár
Der letzte Operettenkönig
Eine Biographie
Böhlau Verlag, Wien 2020

435 Seiten mit 40 zum Teil farb. Abb.,
gebunden € 35,00 D | € 36,00 A
eBook: € 23,99 D | € 24,70 A
ISBN 978-3-205-21005-4

Weitere Informationen hier.


"Mit Sicherheit noch viele Jahre geschätzt... Jedes Werk ganz einzigartig und nie nach Muster gestrickt..."

Geburtstagsgrüße an Franz Lehár von Komponist und Arrangeur Andreas N. Tarkmann und CD-Produzent Burkhard Schmilgun - lesen Sie hier weiter (pdf-Datei)!


Ab 1935 war Lehár vornehmlich mit dem Aufbau seines eigenen Verlagshauses beschäftigt, des Glocken Verlages in Wien. Seine Werke dorthin „zurückzuholen“, ist ihm bis zu seinem Tod 1948 im hohen Maße gelungen. 

Einzeltitel erhalten Sie beim Verlag Josef Weinberger in Frankfurt, Bühnenwerke werden von Musik und Bühne in Wiesbaden lizenziert.

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Dies und das zum Jubiläum

"... und immer vergnügt?" - im Deutschlandfunk Kultur befragte anlässlich des Lehár-Jubiläums Uwe Friedrich den Generalmusikdirektor des Anhaltischen Theaters Dessau, Markus L. Frank, zur Operette DAS LAND DES LÄCHELNS

Passend zu Geburtstag und Jahreszeit empfehlen wir Ihnen die Lehár-Operette FRÜHLING. Mit charmanter Handlung, kleiner Besetzung auf der Bühne (ohne Chor) und kompakter Orchestergröße ist dieses charmante Werk eine liebevolle Wiederentdeckung wert. Direkt zum Ansichtsmaterial gelangen Sie hier: Klavierauszug | Textbuch. Hörbeispiele aus FRÜHLING sind bei jpc zu finden.

Das Label cpo hat eine imponierende Reihe von populären und seltener gespielten Lehár-Werken auf CD veröffentlicht. Die Liste finden Sie mit diesem Link.

Der BR widmet sein Musik-Feature am Freitag, 01.05., um 19.05 Uhr (Wiederholung am Samstag, 02.05., um 14.05 Uhr) dem Jubilar. Der Titel: "Audienz in Ischl: Klaus Mann zu Gast beim letzten König der Operette - ein Reenactment zum 150. Geburtstag von Franz Lehár" (Autor: Stefan Frey).

Die heikle Rolle Franz Lehárs im Dritten Reich beleuchtet ein Artikel der Berliner Zeitung.


Alle verfügbaren Bühnenwerke (großes Recht) finden Sie hier: 

https://www.musikundbuehne.de/nc/stuecksuche.html#lehar

Alle verfügbaren Einzeltitel (kleines Recht) finden Sie hier:

https://www.josefweinberger.de/de/katalog-shop/komponisten/franz-lehar


* 30. April 1870 in Komorn (Komárno)
† 24. Oktober 1948 in Bad Ischl


Ausgewählte Bühnenwerke

DIE LUSTIGE WITWE

DAS LAND DES LÄCHELNS

DER ZAREWITSCH

DER GRAF VON LUXEMBURG

GIUDITTA

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Eine Übersicht über alle Bühnenwerke finden Sie mit diesem Link.

 



   

DIE LUSTIGE WITWE - neues Aufführungsmaterial erhältlich!

Unser Aufführungsmaterial (bestehend aus Dirigierpartitur, Klavierauszug, Textbuch und Orchesterstimmensatz) basiert auf einer frühen Abschrift des Originalmanuskriptes der Partitur. Unser Hauptziel war es dabei, das bekannteste Werk Franz Lehárs in einer neuen, revidierten Fassung herauszubringen. In Kürze wird es auch einen neuen Klavierauszug geben, der eine pianistischere Interpretation der Orchesterpartitur sein wird.

Die Stückinformation zur LUSTIGEN WITWE finden Sie mit diesem Link.