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"Da erwacht der Freak in mir"

Unter dem Titel HOCHZEIT MIT HINDERNISSEN kommt am 27. April am Theater Hof die deutschsprachige Erstaufführung von THE DROWSY CHAPERONE heraus. Wir sprachen mit dem Übersetzer Roman Hinze.

Einerseits nostalgisch, andererseits realistisch: Musicalstar Elaine Paige in der Londoner Produktion von THE DROWSY CHAPERONE.

Roman Hinze ist ganz und gar kein Unbekannter - er hat bereits ein rundes Dutzend von Musicals, ganz überwiegend für Musik und Bühne, übersetzt. Ein Teil der Erstaufführungen des Jahres 2013 geht auf seine Geschicklichkeit mit der deutschen Sprache zurück. Über THE DROWSY CHAPERONE sprach Jürgen Hartmann mit dem versierten Übersetzer.

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Wie würdest du das Stück beschreiben?

THE DROWSY CHAPERONE ist ja ein Stück mit einer erstaunlichen Biographie. Begonnen hat es mit einem Hochzeitsgag. Es war, wenn ich mich recht erinnere, eine Einlage von einer halben Stunde bei der Hochzeit der Improvisations-Komödiantin und Schauspielerin Janet Van de Graaf mit einem der Co-Autoren, Bob Martin. Von dieser Feier in Kanada bis zur Broadwayshow war es ein weiter Weg. Aber der Charme der Hochzeitseinlage ist geblieben.

Inwiefern? Muss man es sich als eine Art Studentenspaß vorstellen?

Es waren schon arrivierte Darsteller und Autoren, die aber eher im Off-Bereich arbeiteten und die Liebe zu den alten, naiven Musicals aus den zwanziger Jahren miteinander teilten. Die Figuren, die in dem „Stück im Stück“ auftauchen, beruhen auf realen Figuren aus dem Freundeskreis der Autoren.

Bekommen diese im Grunde privaten Figuren dennoch "Typencharakter"?

Na klar, das klassische Figurenrepertoire der Komödie wird ausgepackt und ironisch-liebevoll dargeboten. Richtig spannend und sehenswert wird das Stück aber erst durch die Rahmengeschichte um diesen „Mann im Sessel“, der dem Publikum einen Schatz aus seiner umfangreichen Sammlung alter Musicalschallplatten vorstellt und vorspielt. Er ist ein Anti-Held, unfähig zu jedem sozialen Kontakt, den die Zuschauer nichtsdestoweniger lieben werden. Er kennt jedes Klischee, jeden Typus und jedes Gerücht über die Darsteller. Er ist ein Freak, der sich Tag für Tag mit nichts als alten Musicals beschäftigt, und er schwankt zwischen Liebe zu seinem merkwürdigen Hobby, Selbstvergessenheit und Selbstmitleid.

Hast du dich beim Übersetzen bemüht, Rahmengeschichte und Binnenszenen sprachlich abzugrenzen?

Ja, das geht gar nicht anders. Der Mann im Sessel ist eine realistische Figur von heute, auch wenn er ziemlich seltsam ist. Die Figuren im Stück dagegen sind überdreht, klischeehaft, überzogen und werden vom Mann im Sessel auf seine spezielle Art für das Publikum eingeordnet. Der ständige Wechsel zwischen Rahmengeschichte und altem Musical ist sehr reizvoll.

Das Stück kommt also insgesamt als angenehm nostalgisch rüber?

Nein, überhaupt nicht. Das ist ja der Clou. Das „Stück im Stück“ ist sehr nostalgisch, man könnte es in dieser Form aber gar nicht mehr spielen. Interessant wird THE DROWSY CHAPERONE erst durch die eigentlich sehr traurige Geschichte dieses einsamen Manns im Sessel, der uns von seinem verschrobenen Hobby berichtet. Er geht nicht einmal ans Telefon, da er so große Angst vor der „Welt da draußen“ hat. Er flüchtet sich in seine Musicalwelt, obwohl er sie im Grunde durchschaut.

Was war denn knifflig bei diesem Stück im Vergleich zu anderen Projekten? Oder übersetzte es sich wie von selbst?

Zeitraubend waren die überdrehten Sprachspielereien, für die man Entsprechungen finden musste. Die beiden Gangster, die sich als Zuckerbäcker verkleidet haben, feuern die ganze Zeit die verrücktesten Zuckerwerkbegriffe mit Doppelbedeutungen heraus, bei denen man erst mal ratlos ist. Aber da erwacht dann der Freak in mir...

Ganz allgemein: Ist so was dann eher eine Frage der sprachlichen „Erfahrung“ oder suchst du evtl. passende Redewendungen in Büchern oder auch Filmen?

Nach zwei Dutzend Musicalübersetzungen geht manches natürlich leichter von der Hand als am Anfang. Trotzdem suche ich mir Hilfe, wo ich sie finden kann. Ich habe jede Menge Wörterbücher zuhause, hilfreich ist oft z.B. ein großes Bildwörterbuch, das Wörter nach Bedeutungsgruppen versammelt, natürlich auch Synonymlexika und ähnliches. Ich hoffe manchmal auch Hilfe bei Gedichtbänden zu finden, merke aber meistens nur: Die Erfordernisse sind zu speziell, da muss man selbst ran... Ein kleines verschrobenes Hobby habe ich übrigens auch: Ich sammle seit zehn Jahren dreisilbige Reime, dafür gibt's kein Lexikon.

Was steht als nächstes an?

Das Landestheater Linz wird in seinem neuen Musiktheater mit THE WIZ im September eine deutschsprachige Erstaufführung bringen, für die ich ebenfalls die Übersetzung liefere. THE WIZ ist eine afroamerikanische Adaption von DER ZAUBERER VON OZ, die in den 1970er Jahren eine ganz neue Schicht von Zuschauern in die Broadwaytheater lockte.

Verführen solche „Remakes“ dazu, das Original zu zitieren oder beginnst du ganz von vorn?

Ich habe mir natürlich den Film mit Judy Garland angesehen und den Roman gelesen, sogar in vier verschiedenen Übersetzungen. Aber THE WIZ ist so eigen, dass man gar nicht in Versuchung kommt, viel zu übernehmen. Übrigens steht auch THE ROTHSCHILDS kurz vor dem Abschluss, aber das ist eine andere Geschichte…

Ganz recht – wir kommen bald darauf zurück! Danke für das Gespräch!


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