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Die Kraft der Geschichte

Jason Robert Browns und Alfred Uhrys Musical PARADE feierte seine deutschsprachige Erstaufführung am Theater Regensburg. Eine Presseschau.

PARADE in Regensburg (Fotos: Theater/Marie Liebig)

Ben Platt in PARADE am Broadway 2023

Am New Yorker Broadway erzielt das Musical PARADE aus dem Jahr 1998 aktuell in einem Revival außerordentliche Erfolge und wird von Publikum wie Kritikern gleichermaßen gefeiert. Entsprechend erfreulich ist es, dass nun am Theater Regensburg auch die deutschsprachige Erstaufführung dieses Werks in der Übersetzung von Wolfgang Adenberg stattfand.

Im Zentrum des Musicals steht der wahre Fall des jüdischen Fabrikdirektors Leo Frank, der 1913 in den amerikanischen Südstaaten zu Unrecht des Mordes an einem jungen Mädchen beschuldigt, verurteilt und, durch antisemitische Hetze angestachelt, von einem Lynchmob ermordet wird.

Aus diesem beklemmenden Stoff schufen Komponist Jason Robert Brown und Librettist Alfred Uhry, der einem breiten Publikum wohl durch sein 1989 verfilmtes Schauspiel "Miss Daisy und ihr Chauffeur" bekannt sein dürfte, ein ebenso beeindruckendes wie aufwühlendes Werk.

Egbert Tholl vergleicht das Musical in seiner Rezension der Regensburger Inszenierung für die Süddeutsche Zeitung mit Arthur Millers "Hexenjagd" und hebt besonders den universellen Charakter des Werks hervor: „Regisseur Simon Eichenberger vertraut der Kraft der Geschichte […]. Es braucht auch keine gewaltsame Modernisierung […], das Stück taugt allemal zur zeitunabhängigen Parabel.“

Jason Robert Brown, der mit Musicals wie DIE LETZTEN FÜNF JAHRE oder DIE BRÜCKEN AM FLUSS seit Jahren zu einer festen Größe der Musicalwelt zählt, preist Tholl als „außerordentlich vielseitigen Komponisten“. Er führt aus: „[Brown] kann Jazz, Dixie und Gospel, es gibt einen hervorragenden Blues aus einer Chain-Gang Gefangener heraus, er flicht kurz vor Franks Tod das ‚Schma Jisrael‘ hinein, erfindet einen patriotischen Südstaatenchor, bei dem es dann wirklich einmal sehr gruselig wird.“

Auf broadwayworld.com lobt Stephi Wild ebenfalls Browns „facettenreiche Partitur“, in der sich „Anleihen bei Folk, Gospel, Dixie-Jazz, Rhythm and Blues, Pop-Rock“ miteinander vereinen und „der eindringlichen Geschichte einen wahrhaften Südstaaten-Sound“ verleihen.

Juan Martin Koch stellt in der NMZ darüber hinaus im Finale des ersten Aktes mit der „dissonanten Überlagerung diverser Schichten à la Charles Ives“ eine gänzlich andere, ebenso spannende Verknüpfung zur amerikanischen Musikgeschichte her. „Es war ein Fest“, resümiert Charlotte Roemer in der Studierendenzeitung der Universität Regensburg und erklärt: „PARADE bringt […] ein bisschen ‚Big-Apple-Charme‘ in die Oberpfalz“.

Ingo Göllner spricht auf musicalzentrale.de von einem „Bilderrausch, unterbrochen von wohltuend stillen Momenten“ und lobt die hohe Qualität der Regensburger Inszenierung dieses (so wörtlich) „Musical-Meisterwerks“. Weiter heißt es: „[Brown] scheut weder große Hymnen noch zarte Melodien. […] Es ist schlicht grandios, wie Brown mit den Stilen spielt. Er schafft große pathetische und filigrane transparente Momente.“

Als Fazit formuliert Göllner den Wunsch, dieses vielschichtige Werk häufiger in die hiesigen Spielpläne aufzunehmen: „Es sollten sich mehr deutschsprachige Bühnen an PARADEwagen. Die Auswüchse populistischer Hetze zu zeigen, ist heute aktueller und wichtiger denn je.“


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