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Stephen Sondheim, zum ersten: Am Theater Freiburg feierte am 27. Januar das in den letzten Jahren immer öfter aufgeführte Stück COMPANY des 2021 verstorbenen Musical-Großmeisters Premiere. Georg Rudiger schreibt in seiner Rezension zu diesem „experimentellen Musical“, dessen Sound „zwischen Hochglanz und rockigen Tönen“ changiere: „Die Musiknummern sind meist ironische Kommentare von Szenen. Überhaupt durchzieht feine Ironie, die auch mal in bitteren Sarkasmus umschlagen kann, das gesamte Stück.“ Zu Sondheims Musik heißt es auf SWR2, sie sei „sehr modern auf eine Art“, wobei die „typischen Klänge der Seventies“ merkwürdig vertraut klingen. Das Musical sei zudem „gespickt mit lockerem Wortwitz“ und ein „unterhaltsames Spektakel“. Auch die Besonderheit von COMPANY, dass das Stück keine durchgehend-lineare Handlung besitzt, sondern sich in einzelnen Vignetten den Themen Ehe und Partnerschaft widmet, wird bei SWR Aktuell explizit hervorgehoben: „Die Lieder kommentieren die Geschichte, ironisch und witzig“. Bereits seit Dezember ist COMPANY auch am Theater Koblenz zu sehen.
Stephen Sondheim, zum zweiten: Mit SWEENEY TODD gibt es aktuell auch im Theater Hof einen Sondheim-Klassiker zu bewundern - übrigens eine von fünf (!) Premieren dieses Musicals in der aktuellen Saison. Von einem der „anspruchsvollsten Musicals“ überhaupt spricht Nico Schwappacher in der Frankenpost. „Gänsehaut pur“ ist an anderer Stelle zu lesen. Eine „bitterböse schwarze Operette“ nennt Frank Guevara Pérez in der Musicalzentrale.de das Stück. Besonders lobend hebt er neben den „komplexen Sondheimschen Melodien“ die „tollen Texte in der Übersetzung von Wilfried Steiner und Roman Hinze“ hervor. Beim Theaterkompass wiederum wird das Stück als „Horror-Musical erster Güte“ bezeichnet. Zu Sondheims „opulenter, fast opernhafter Partitur“ heißt es hier: „Die vielfältigen Orchesterfarben und Sounds, die an Filme von Alfred Hitchcock erinnern, geben der mörderischen Geschichte ihre besondere Atmosphäre.“
Deutlich heiterer ging es da bei der deutschen Erstaufführung des Musicals DOKTOR DOLITTLE nach dem berühmten Roman von Hugh Lofting zu, das jüngst im Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz Premiere feierte. Von einem „tierisch guten Vergnügen“ spricht Antje Flath in der Freien Presse. Eva Blaschke lobt im KT-Magazin das Stück als „kurzweilig, unterhaltsam, immer lustig mit ernsten Tönen gleich unter der Oberfläche“. Weiter erklärt sie: „Buch, Musik und Songtexte stammen aus der Feder von Leslie Bricusse. Und alle Teile sind ihm gut gelungen. Das Buch ist klar strukturiert, mit überraschenden Wendungen und Einschüben. Die Texte sind mit Witz und Raffinesse geschrieben, unterhalten und vermitteln neue Einsichten. Die Musik zieht damit gleich.“ Kai Wulfes lobt in der Musicalzentrale die deutsche Übersetzung des „fantastisch-märchenhaften Stoffes“ – vor allen die des oscarprämierten Songs „Talk to the Animals“. Christian Poewes deutsche Übertragung von „Sprechen von Mensch zu Tier“ warte „mit witzigen Wendungen wie ‚parlieren mit den Stieren‘ oder ‚schwatzen mit den Katzen‘“ auf.
Im Theater St. Gallen kann man schließlich seit letzter Woche Jonathan Larsons Meisterwerk RENT bewundern. Die Adaption von Puccinis „La Bohème“ aus dem Jahr 1996, das blick.ch als „rockiges Kult-Musical“ anpreist, wird von Mirjam Bächtold im St. Galler Tagblatt als „fulminante, bunte und rockige Show mit einem stimmgewaltigen Cast“ gelobt. Von einem „zeitlosen Meisterwerk“, das nicht aus der Mode komme, spricht Christoph Doerner auf kulturfeder.de. „Es behandelt Themen wie Armut, Liebe, Freundschaft und vor allem den Umgang mit HIV/AIDS“, so Doerner, und besitze eine „energiegeladene, von Rock inspirierte Musik“. In höchsten Tönen lobt auch Kaspar Sannemann in Der Opernfreund das Musical, das ein „mitreißendes und vor allem bewegendes und eben auch zu Herzen gehendes Ereignis“ darstelle. Weiter heißt es hier: „Das ist Musiktheater mit beeindruckender Relevanz, ein Plädoyer für Empathie, Menschlichkeit und vor allem für die Liebe in all ihren Ausprägungen.“
Besonders hebt Sannemann die Aktualität des Werks hervor: „Obwohl das zentrale Thema die AIDS/HIV-Pandemie der 80er und 90er Jahre ist, bleiben die Kernaussagen auch für die heutige Generation relevant, geht es doch um den Umgang mit Kranken, mit Randständigen und mit Menschen, deren Lebensentwürfe und Partnerwahlen sich nicht dem heteronormativen Anspruch angleichen können und das auch nicht wollen.“ Zur Musik heißt bei Sannemann: „Larson bleibt quasi durchgehend im harten Rockbereich, mit Einsprengseln (mal ein Tango, etwas Souliges, Jazziges oder Songhaftes). Das ist oft laut, manchmal schrill, entspricht jedoch genau dem dargestellten Lebensgefühl dieser jungen Menschen und Künstler, die aufgerieben werden zwischen Armut, Krankheit und Gentrifizierung.“
Leo Falls Operette DIE DOLLARPRINZESSIN hatte vergangenen Monat am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin Premiere. Philipp Pichler beschreibt Falls Musik in seiner Rezension auf simskultur.eu als „Höhepunkt der Silbernen Operettenära“. Besonders lobt er die „klare Sprache und den feinen Humor“ dieses „viel zu selten aufgeführten Klassiker des Genres“ und resümiert: „Liebe, Intrigen und Geschäfte halten die rasante Story stets in Bewegung.“ Von einem „bunten Amüsement mit Wortwitz und Dramatik“ spricht Katja Haescher in der Schweriner Volkszeitung, während Christoph Forsthoff, ebenfalls in der SVZ, den „Slapstick und die schmissige Comedy-Unterhaltung“ der Operette preist. „Gefällig komponiert, gekonnt gesetzt und reich instrumentiert“, lobt er Falls Musik. „Walzer, Märsche, Polkas – eine klassische Operette eben.“
Auch im Schauspielbereich gab es mit der deutschen Erstaufführung von SCHANDE nach dem gleichnamigen Film von Ingmar Bergman aus dem Jahr 1968 eine vielbeachtete Premiere. Das Drama, in dessen Zentrum die Flucht eines Intellektuellenpaares in die Einsamkeit der schwedischen Natur steht, ist laut Falk Schreiber auf nachtkritik.de von „bösem Humor und verstörenden Irritationen durchzogen“ und zeichne sich durch seine „konsequente Verrätselung“ aus. Ausführlicher geht Jens Fischer in seiner Kritik für Die Deutsche Bühne auf den Inhalt des Stücks ein: „Eine Ehe wird in ihre Bestandteile zerlegt: zwei inkompatible Ichlinge.“ Die Protagonisten und ihre Ehe scheitern dabei im Verlauf des Dramas an der „zunehmend auf sie eindringenden Brutalität undurchsichtiger Kräfte der sozialen Wirklichkeit“, die wie ein Katalysator wirke, der „die abgründigen Aspekte der Persönlichkeiten und verdrängte Konflikte ans Tageslicht“ bringt. Die Moral des Stücks sei aktueller denn je: „Niemand soll sich heraushalten, was um einen herum passiert“, so Fischer. „Niemand kann der persönlichen Verantwortung entfliehen, jeder muss sich positionieren und dazu stehen.“ Dass dieses Thema „verstörend aktuell“ sei, resümiert auch Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung, während Peter Helling im NDR von „einer Etüde, einem Wurf, einer dunklen Melodie“ und einem „Theater der Blicke, der mikroskopisch feinen Verschiebungen, der Haarrisse im Gefühlskostüm“ sowie einer insgesamt „klaustrophobischen Stimmung“ spricht.