„Es gibt Romane, die sind offenbar so zeitlos, dass sie noch 150 Jahre nach ihrem Erscheinen gerne gelesen und verfilmt werden. Der Familienroman LITTLE WOMEN, 1868 von der Amerikanerin Louisa May Alcott verfasst, ist solch ein Dauerbrenner“, heißt es in einer NDR-Rezension der neuesten Verfilmung. Fünfzehn Jahre nach seiner Erstaufführung am Broadway ist im anglo-amerikanischen Raum auch das gleichnamige Musical längst zum „Evergreen“ geworden. Vielleicht ist der oscarnominierte und allseits positiv besprochene Film von Greta Gerwig ein Anlass, sich auch in Deutschland das Musical von Jason Howland, Mindi Dickstein und Allan Knee etwas genauer anzusehen?
Eine Show über Familie, Rebellion, Kampf, Verlust einerseits sowie Liebe und Gemeinschaft andererseits sei LITTLE WOMEN, sagt der Librettist Allan Knee und hält das Musical nach fünfzehn Jahren für aktueller und gültiger als je zuvor. Auch Nick Vargas, der Regisseur einer aktuellen Produktion des Wheelock Family Theatre in Boston, vertritt eine ähnliche Meinung. LITTLE WOMEN habe „eine zeitlose Qualität durch die großartigen Figuren, die großartige Geschichte und die großartige Thematik – den eigenen Weg zu finden, für das, was man will zu kämpfen und sich auf dem Weg dahin zu verändern“.
Der Roman LITTLE WOMEN ist autobiographisch geprägt – Louisa May Alcott (1832-1888) musste um ihre Anerkennung als Autorin kämpfen wie ihre Heldin Jo, eine von vier sehr unterschiedlichen, aber gleichermaßen starken Schwestern, deren Mutter ihre Auflehnung gegen Konventionen und Vorurteile sanft unterstützt. Alcott verlegte die Handlung in die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs um 1863. Aber die historische Fixierung ist, wie so oft, nur eine Folie. Die Songtexterin des 2005 uraufgeführten Musicals, Mindi Dickstein, erklärte, dass dieses ganz bewusst „auch unsere eigene Zeit und das Leben von Alcott, einer Frau, die ihrer Zeit voraus war“, reflektiere. Jason Howland schrieb dazu eine Musik, die ausladende Balladen wie das unter Fans vielgeliebte „Astonishing“ mit Anklängen an die Folklore jener Zeit verbindet.
„Die Diskriminierung und das Kleinmachen von Künstlerinnen (…) sind offensichtlich auch in der Gegenwart noch lange nicht überwunden“, heißt es in der Neuen Zürcher Zeitung angesichts der Tatsache, dass die Neuverfilmung der Regisseurin Greta Gerwig zwar für mehrere Oscars nominiert sei, jedoch nicht für die „Beste Regie“. Auch das Musical LITTLE WOMEN, das in einer deutschen Fassung von Irene und Florian Scherz vorliegt, vermittelt also eine durchaus zeitgemäße Botschaft. Hinzu kommt, dass es zahlreiche starke Frauenrollen enthält, mit rund zehn Darsteller*innen als Mindestbesetzung keine übergroßen Besetzungshürden aufstellt und ein breites Publikum jeden Alters anspricht.