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Nach wie vor etwas Besonderes - LADY IN THE DARK in Hannover

15. Oktober 2011
Hannover

Roman Hinze hat Kurt Weills LADY IN THE DARK für Musik und Bühne übersetzt. Die Erstaufführung der neuen deutschen Fassung zeigt die Staatsoper Hannover am 15. Oktober.

Kurt Weills LADY IN THE DARK mit den Dialogen von Moss Hart und den Songtexten von Ira Gershwin ist ab dem 15. Oktober in Hannover zu sehen (Foto: Winnie Bowe in der Titelpartie). Die neue deutsche Übersetzung hat Roman Hinze besorgt.

Trailer der Staatsoper Hannover

„Deutsch von Roman Hinze“ – dieser Untertitel ziert regelmäßig die Textbücher und Klavierauszüge, die von Musik und Bühne an die deutschen Theater verschickt werden. Der Kölner Autor und Übersetzer befasst sich seit rund sieben Jahren mit der Aufgabe, Dialoge und Songtexte von Musicals ins Deutsche zu übertragen. Dabei muss er für so unterschiedliche Stücke wie das politisch-satirische Gershwin-Musical „Of Thee I Sing“ ebenso die richtigen Worte finden wie für die poetische „Passion“ von Stephen Sondheim oder nun für LADY IN THE DARK von Kurt Weill – mit Dialogen von Moss Hart und Songtexten von Ira Gershwin, dem Bruder des berühmten Broadwaykomponisten.

LADY IN THE DARK sei „nach wie vor etwas Besonderes“, meint Roman Hinze, der nach zwei Fassungen aus den 1950er und 1970er Jahren nun schon der dritte Übersetzer dieses Werkes ist. Es handele sich eigentlich gar nicht um ein Musical, urteilt er und weist darauf hin, dass das Stück ohne Ouvertüre beginnt und im Folgenden nur in jenen Traumsequenzen, die die Hauptfigur während ihrer Psychoanalyse charakterisieren, Musik enthält. Es sind also nicht einzelne Songs zu übersetzen, sondern längere musikalische Szenen, „Mini-Opern“, wie Weill sie einmal genannt hat. Dem Übersetzer gefällt das gut – man könne auf diese Weise wesentlich freier sein als bei kürzeren, fest gefügten Nummern. Allerdings klebt Roman Hinze ohnehin nie am Original, im Gegenteil: „Man muss sich bei der Arbeit vom Originaltext befreien, um ihm im Ergebnis wieder näher zu kommen“. Was sich zunächst paradox anhört, ist eigentlich logisch, denn die deutsche Übertragung muss (und kann) nicht unbedingt Wort für Wort dem englischen Text folgen, sondern hat vor allem den richtigen Ton zu treffen, den Gestus des Originals nachzubilden.

Bei allen Unterschieden im Detail hat Hinze einen bewährten Arbeitsprozess entwickelt: „Ich mache zwei Durchgänge mit dem Originaltext vor Augen, dann lege ich ihn beiseite und mache unabhängig davon weiter“. Wichtig ist dem Übersetzer weniger die Papierform als die spätere Praxis: „Ich stelle mir immer vor, wie ein Darsteller den Text auf der Bühne spricht“, sagt Hinze, der auch Theaterleute aus dem Freundes- und Bekanntenkreis in seine Arbeit einbezieht, indem er sie über die Übersetzung urteilen lässt. Während in den amerikanischen Originalwerken meist verschiedene Autoren für die Dialoge einerseits und die Songtexte andererseits verantwortlich zeichnen, überträgt Roman Hinze immer beides gemeinsam ins Deutsche, und zwar chronologisch dem Stückverlauf folgend. Er wolle die beiden Werkbestandteile in seinem Arbeitsprozess bewusst nicht trennen, erläutert der Übersetzer: „Dialog und Song beziehen sich ja oft aufeinander, gehen auseinander hervor“.

An den bisherigen Übertragungen von LADY IN THE DARK (die im Gegensatz zur neuen Ausgabe auch den Stücktitel verdeutschten) hat sich Roman Hinze nicht orientiert. Das ist verständlich, scheinen Übersetzungen doch schneller zu veralten als der Originaltext – so wirken beispielsweise die älteren deutschen Texte zur WEST SIDE STORY oder die immerhin von Hildegard Knef populär gemachten deutschen Cole-Porter-Songs heutzutage ziemlich bieder. Auch verändere sich einiges während der Proben des neu übersetzten Stücks, erzählt Hinze: „Oft finden sich dann etwas andere Lösungen, auf die ich eigentlich schon früher hätte kommen können“. Das übergeordnete Ziel seiner Arbeit sei aber immer gleich: „Das Publikum soll sich gar nicht erst fragen, ob es sich überhaupt um eine Übersetzung handelt“.

Jürgen Hartmann


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