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Träume neu geträumt: Stephen Sondheim in Deutschland

FOLLIES in Wiesbaden sorgt für großes Aufsehen, SWEENEY TODD in Dresden bestätigt den Kultstatus des Stücks. Und es gibt noch mehr Sondheim in dieser Saison.

FOLLIES in Wiesbaden (Fotos: Theater/Lena Obst)

SWEENEY TODD in Dresden (Fotos: Staatsoperette/Pavel Sosnowski)

COMPANY an den Landesbühnen Sachsen (2017)

DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT (A LITTLE NIGHT MUSIC) an der Opera North (2022)

INTO THE WOODS (AB IN DEN WALD) an der Oper Halle (2022)

Direkt zu den Stückinfos:

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Der 2021 verstorbene Musical-Titan Stephen Sondheim erfreut sich gegenwärtig größerer Beliebtheit denn je. Der Broadway erlebt in den letzten Jahren eine regelrechte Sondheim-Renaissance. Von COMPANY bis INTO THE WOODS finden mehr und mehr Sondheim-Stücke ihren Weg zurück an den Great White Way – darunter auch unbekanntere wie MERRILY WE ROLL ALONG, das sich aktuell mit Daniel Radcliffe und Jonathan Groff als enormer Erfolg erweist. Sondheims Kult-Klassiker SWEENEY TODD mit Josh Groban in der Titelrolle galt zwischenzeitlich sogar als „heißestes Ticket“ der Stadt.

Auch Deutschland hat mittlerweile das Sondheim-Fieber gepackt, wie ein Blick auf die zahlreichen Produktionen seiner Werke zeigt, die sich diese Saison auf den Spielplänen finden. So feierte kürzlich FOLLIES seine Premiere am Staatstheater Wiesbaden. Das Thema dieses Musicals wird auf wiesbaden-lebt.de prägnant zusammengefasst: „FOLLIES nimmt das Publikum geschickt mit auf eine Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart. […] Es geht um Themen wie verpasste Chancen, neue Einsichten, Akzeptanz und Hoffnung auf eine andere Form von Zukunft.“

Auch Judith von Sternburg spricht in der Frankfurter Rundschau treffend von einem „melancholischen Abschied vom glamourösen Revuetheater und einer ganzen Epoche.“ In der „charakterlich komplexen und tiefsinnigen, aber trotzdem glitzernd-funkelnden und prunkvollen“ Show werden, so André Böke auf musicalzentrale.de, „verloren geglaubte Emotionen geweckt, Sehnsüchte genährt und Träume neu geträumt – aber es treten auch düstere Obsessionen, Neurosen und gescheiterte Lebenspläne ans Tageslicht.“

Katharina Karsunke lobt auf kulturfeder.de das Libretto, das „für ein genussvolles Wechselspiel zwischen damals und heute“ sorge. „Eine besondere Raffinesse des Buches ist es“, so Karsunke, „stets die Vergangenheit aufleben und für das Publikum authentisch spürbar zu machen. Teilweise werden die Protagonisten von ihren Schatten der Vergangenheit [gemeint sind ihre jüngeren Ichs] umgarnt, teilweise stehen sie miteinander in Interaktion, oder – noch spannender – im Wechselspiel, wenn sie sich an längst vergangene Tage zu erinnern versuchen.“

Auch für Sondheims „anspruchsvolle und clevere Musik“ findet Karsunke nur lobende Worte: „Zum Teil als Untermalung, zum Teil als fantastische Melodien, umschmeichelt Sondheims Komposition die Texte auf ganz besonders zarte Art und Weise. Es sind hier vor allem die Bläser und Streicher, die die wunderbaren Klänge des Broadways lebendig werden lassen und jeden einzelnen Charakter zum Teil jazzig und flott, zum Teil sensibel und melancholisch passgenau begleiten.“

Ein anderes, mittlerweile deutlich bekannteres Sondheim-Musical hatte jüngst an der Staatsoperette Dresden Premiere: SWEENEY TODD, laut musicalzentrale.de eine „blutrünstige Sondheim-Perle“, die die düstere Geschichte eines auf Rache sinnenden und zum Mörder werdenden Barbiers im viktorianischen London erzählt, ist einem breiten Publikum wohl vor allem durch die Verfilmung von Tim Burton aus dem Jahr 2007 mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter bekannt. Heiko Nemitz spricht auf Tag24 von einem „Musical-Thriller“ (so auch der Untertitel des Stücks) und einer „schwarzen Operette“, deren zentrales Thema „Menschen fressen Menschen auf“ sei, was man als „Kapitalismus-Parabel“ im historischen Gewand lesen könne.

Manuel Brug schreibt auf MDR Klassik über das „tiefschwarze und kultig verehrte“ Musical: „Sondheim mixt in SWEENEY TODD viktorianisches Schauerdrama, französische Grand-Guignol-Krudität und Bertolt Brechts Sachlichkeit mit Kurt Weills klappriger Kabarettmusik und Bernard Herrmanns spitzen Streichertremoli.“ Gleichzeitig betont auch Brug die „ganz zeitgenössische Sozial- und Kapitalismuskritik“, die in SWEENEY TODD zu finden sei – kein Wunder also, dass SWEENEY TODD eines von Sondheims beliebtesten Werken ist: In der aktuellen Saison stehen in Deutschland fünf Neuinszenierungen auf den Spielplänen – außer in Dresden bereits in Flensburg und Lübeck sowie 2024 in Cottbus und Hof. COMPANY wird in Koblenz und Freiburg zu sehen sein, DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT in Straubing und Solingen.

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Eine ausführlichere Version dieses Artikels mit weiteren Pressezitaten finden Sie hier als pdf-Datei.


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