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Ein intellektuelles Musical mit zeitlosen Themen
Mit GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN zeigt das Theater Nordhausen aktuell die Musicalfassung von Laclos’ gleichnamigem Briefroman, der von Marc Schubring (Musik) und Wolfgang Adenberg (Buch und Liedtexte) für die Bühne adaptiert wurde. Jörg Beese beschreibt das Stück im DaCapo-Musicalmagazin als „intellektuelles Musical mit hohem Anspruch“, in dem „dem französischen Adel in der Zeit vor der Revolution der Spiegel vor seinem schamlosen Sitten- und Moralverfall vorgehalten wird“.
Besonderes Lob findet die „perfekt instrumentierte“ Musik. „Das weitgehend durchkomponierte Musical erfüllt […] in mehreren Bereichen hohe Ansprüche, gerade bei der Partitur und der Dramaturgie“, so Beese weiter. „Wer Charakterstudien in Musicalform mag, wie zum Beispiel auch SWEENEY TODD, sollte sich diese Show ansehen.“ Lutz Hesse lobt auf Musical Today Schubrings Partitur, mit der dieser eine „Klangwelt [schaffe], die wunderbar zur Welt des französischen Adels passt“.
„Besser geht nicht!“, titelt Peter-Stefan Greiner in der NNZ und unterstreicht die Zeitlosigkeit des Stoffes. GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN sei, so Greiner, „ein Festival der Sinne, der Sinnlichkeiten, der Kunst und […] eine Brücke zur Nachdenklichkeit über aktuelles Handeln. War es in der Zeit der Französischen Revolution der Adel, der da an den Bühnenpranger gestellt wurde, so könnten Handlungsstränge und Abläufe mühelos auf das politische Treiben der Heutzeit gespiegelt werden.“
Eine nostalgische Reise in die eigene Vergangenheit
Ein Musical mit nicht minder hohem Anspruch hatte jüngst an der Volksoper Wien Premiere: FOLLIES von Musicallegende Stephen Sondheim (COMPANY, INTO THE WOODS) und James Goldman (A FAMILY AFFAIR), das laut Bernd Freimüller auf Musical Today als „eine der meistdiskutierten Shows des Genres gilt“. Von einem Musical, das „psychologische Feinheiten mit Revueglanz verbinden kann“, spricht Ljubiša Tošić im Standard.
Im Zentrum von FOLLIES steht die Abschiedsfeier für ein Theater, das einst Heimat von glamourösen Shows und Stars war, nun jedoch einem Parkplatz weichen muss. Die ehemaligen Darsteller kommen zusammen und erinnern sich bei dieser (in Tošićs Worten) „Requiem-Gala“ an ihre Vergangenheit am Theater und reflektieren zugleich ihre Lebensentscheidungen.
„Wir haben Szenen zweier Ehen, Traumfantasien der Figuren und manch nostalgische Kopfreise“, führt Tošić aus. „In Stephen Sondheims FOLLIES ist dieses Gemisch ein gutes Sprungbrett, um die Kontraste zwischen den Ehedisputen und den gleißenden Revuemomenten der Vergangenheit effektvoll zu gestalten.“ Als Kernthemen von FOLLIES benennt Georg Leyrer im Kurier: „Altern und Lebenslust, Verfall und die paradiesische Zukunft, die man sich als junger Mensch erträumt.“
Ein Rock-Musical mit ernster Thematik
NEXT TO NORMAL von Tom Kitt und Brian Yorkey, ein Stück, das durch die differenzierte Auseinandersetzung mit einer psychischen Erkrankung die thematische Breite und den Anspruch der Gattung Musical neu definierte, feierte in Zürich vor Kurzem seine schweizerdeutsche Erstaufführung. Susanne Weber spricht in Musical Today von einer „berührenden Produktion“ und lobt die Übersetzung, die dem Stück „Authentizität und Nähe“ verleihe, „ohne den musikalischen Fluss zu stören“.
Die Musik „bewegt sich virtuos zwischen rockigen, jazzigen und melancholisch-verträumten Klangwelten“, betont Weber und führt aus: „Die Arrangements sind perfekt auf die emotionale Dramaturgie abgestimmt und unterstützen die Darstellenden, ohne zu dominieren.“ NEXT TO NORMAL zeigt, „dass Musicals auch aktuelle Fragestellungen und soziale Herausforderungen thematisieren und dennoch begeistern können“, ist auf dem Blog „Les Lynch“ zu lesen.
Das Stück, das sich mit den Themen „Trauer, Depression, Selbstmord, Drogenmissbrauch und der Ethik der modernen Psychiatrie“ auseinandersetze, „geht tief und zeigt, dass große Trauer psychische Folgen haben kann, die auch keine liebende Familie heilen kann“, so Charlene und Désirée Lynch. „Aus dem Leben direkt auf die Bühne. Roh, ungeschönt und faszinierend.“
„Ein Klassiker, der nicht verblasst“
Auch die Rock-Oper EVITA von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice (JESUS CHRIST SUPERSTAR) machte zu ihrer Entstehungszeit aufgrund ihres außergewöhnlichen Sujets – das Leben der argentinischen Präsidentengattin Eva Perón – Schlagzeilen. In Leipzig ist das Musical aktuell an der Musikalischen Komödie in einer Inszenierung von Cusch Jung zu erleben.
Peter Korfmacher bezeichnet EVITA in der Leipziger Volkszeitung als „dramaturgisch geschickt gebautes Musical“, das sich „beginnend mit der Todesbotschaft [von Evita] in von Che moderierten Rückblicken auffächert“. In der Partitur Lloyd Webbers erkennt Korfmacher Anleihen bei „Kirchenmusik, Puccini [und] Kurt Weill“.
„Ein Klassiker, der nicht verblasst“, überschreibt Moritz Jähnig seine Rezension für das Magazin Kunst und Technik. Lloyd Webber und Rice gelinge es in diesem „Selbstläufer“ über „Macht, Mythos und Populismus“, so Jähnig, „Schlaglichter auf eine Figur zu werfen, die alle Züge einer Populistin trägt“. Dabei biete EVITA sogar „Parallelen zum gegenwärtigen argentinischen Präsidenten Milei, der offiziell mit der Kettensäge den Schaden vorangegangener peronistischer Regierungen zu beheben sucht“.