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Unser Theatersommer (2): Eispalast versus Giftmüllfass

Musical und Operette, drinnen und draußen, das ist ein weites (thematisches) Feld.

DIE BLUME VON HAWAII in Rostock (Foto: Volkstheater/Doris Gaetjen)

DOKTOR SCHIWAGO in Sondershausen (Foto: Theater Nordhausen/Marco Kneise)

THE TOXIC AVENGER in Dresden (Foto: Semperoper/Ludwig Ohla)

DIE STUMME SERENADE in Wien (Foto: VBW/Herwig Prammer)

Links für Ungeduldige - direkt zu den Stückinfos: 
DOKTOR SCHIWAGO | THE TOXIC AVENGER | DIE BLUME VON HAWAIIDIE STUMME SERENADE

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Winterliches Russland bei deutschen dreißig Grad - das geht! Im Schlosshof Sondershausen fand nicht zum erstenmal ein DOKTOR SCHIWAGO im Hochsommer statt, hier vorgestellt durch das Theater Nordhausen. Die Musiktheateradaption des berühmten Romans von Boris Pasternak beschreiben die Kyffhäuser Nachrichten als „eine große Liebesgeschichte, eingewebt in das packende Zeitgemälde von 30 Jahren russischer Geschichte, die Wirren der Revolution und des Krieges umfassend.“ Als Hauptthema wird bei nnz-online die Liebe benannt, „Liebe in Zeiten des Krieges, Liebe, die uns mehr beeinflusst als alles andere.“ Gleichzeitig habe die Geschichte „auch viele historische Facetten, ist politisch, manchmal sogar philosophisch.“ Zur Musik heißt es hier, sie sei „brillant komponiert, fast sinfonisch durchgeführt“. Besonders hervorgehoben wird die aus der Verfilmung bekannte „Schicksals-Melodie“, der man „eine ganze Reihe von Hits mit Ohrwurmqualität [gegenüberstellt]: Kraftvolle Battle-Songs und gefühlvolle Romanzen, Balladen, subtil eingesetztes Lokalkolorit […] und alles schwebend auf dem kunstvollen Klangteppich des Orchesters.“ Auch Antenne Thüringen äußert sich lobend über die Komposition von Lucy Simon: „Die eingängige, orchestrale Musik aus zu Herzen gehenden Soli und mitreißenden Ensembles verleiht der rund 30 Jahre umfassenden Geschichte Spannung und ganz viel Gefühl.“

Ein inhaltlich gänzlich anderes Musical war in Dresden zu sehen: THE TOXIC AVENGER von „Bon Jovi“-Keyboarder David Bryan und Joe DiPietro, laut theaterkompass.de ein „rasantes und energiegeladenes Rock-Musical […] mit großartigen Songs in Ohrwurmqualität, romantischen Balladen und jeder Menge Witz“. Jens Daniel Schubert lobt in der Sächsischen Zeitung besonders die Aktualität der „herrlich überzogenen Show aus dem Superheldenmilieu“, in der sich der durch Giftmüll zum Superhelden mutierte Melvin dem Kampf gegen Umweltverschmutzung in der fiktiven amerikanischen Kleinstadt Traumaville verschreibt. „Was darf man tun, um die Welt zu retten?“, benennt Schubert prägnant das zentrale Thema des Musicals, das „kunst- wie lustvoll mit den Grenzen des Zulässigen“ spiele. „Brutales […] gibt es ebenso wie Pornografisches“, so Schubert weiter. „Aber es ist immer übertrieben und Parodie. Die seit über vierzig Jahren aktuelle Frage, von Vermüllung bis Klimawandel, ist permanent Thema, ohne sich belehrend in den Vordergrund zu spielen.“

Operetten-Produktionen dürfen im Theatersommer 2023 natürlich nicht fehlen. Das Rostocker Volkstheater hat sich entsprechend den Klassiker DIE BLUME VON HAWAII von Paul Abraham (BALL IM SAVOY, VIKTORIA UND IHR HUSAR, MÄRCHEN IM GRAND-HOTEL) ausgesucht. Die Ostsee Zeitung spricht hier treffend von „beschwingten Melodien und Südsee-Feeling“. Das Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt hat mit SCHÖN IST DIE WELT hingegen ein eher unbekanntes Werk des Operetten-Giganten Franz Lehár (DIE LUSTIGE WITWE, DAS LAND DES LÄCHELNS) für seine Sommerproduktion gewählt. Beim Online Musik Magazin schreibt Joachim Lange, dass bei SCHÖN IST DIE WELT ein „Melodienerfinder von Rang am Werk war“, der „eine ganze Reihe von mit meisterlicher Souveränität aufgefädelter, eingängiger Nummern mit Schlagerpotenzial“ geschaffen hat.

Als wahre Entdeckung im Operettenbereich erweist sich diesen Sommer DIE STUMME SERENADE, Erich Wolfgang Korngolds letztes Werk, das mit großem Erfolg vom Theater an der Wien auf den Spielplan gesetzt wurde. Das Thema dieser „spritzig-witzigen“ Operette ist, wie Jörn Florian Fuchs es für BR Klassik pointiert formuliert, „Schein und Sein einer überdrehten Gesellschaft im Neapel der 1820er-Jahre“. Zur Musik erklärt Fuchs: „Korngold [erfindet] ein Feuerwerk an Klängen, immer wieder leicht angejazzt ist die schillernde Partitur, die von Pointe zu Pointe jagt und stürmt. […] Einmal taucht ganz kurz ein Saxophon auf, Celesta und Schlagwerk sorgen für Pomp und Rumms, man mag wirklich keine Sekunde missen!“ Auch Stefan Ender lobt in Der Standard Korngolds Musik als „erstklassige Konfektion, [die der Komponist] der leichten Muse mit Könnerhand auf den Leib geschneidert“ hat. Laut Theater an der Wien selbst mischt Korngold in DIE STUMME SERENADE „die goldenen Zeiten der Operette mit jazzigen Schlagern auf“ – also das perfekte Stück „für lange warme Party-Nächte“, wie Fuchs für BR Klassik resümiert.


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