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Drei Schwestern im Geiste: THE GOODBYE GIRL, VIOLET und LITTLE MISS SUNSHINE

Sie sind Schwestern im Geiste, die Heldinnen dieser drei noch wenig bekannten Musicals.

„No more“, singt Paula in THE GOODBYE GIRL, nachdem sich ihr Lebensabschnittsgefährte auf einen Filmdreh nach Spanien davongemacht hat, statt mit ihr und ihrer Tochter Lucy nach Hollywood umzuziehen. Der in dem überaus beeindruckenden Song gefasste Vorsatz wird allerdings getrübt, da besagter Lebensgefährte schnell noch die gemeinsame Wohnung untervermietet hat, ausgerechnet an einen ebenso erfolglosen Schauspieler. Das kann nicht gut gehen – oder doch?

VIOLET macht sich hingegen über Beziehungen zu Männern keine Gedanken, als sie zu einer langen Reise aufbricht: Seit ihrer Jugend durch einen Unfall entstellt, hofft sie auf Heilung durch einen berühmten Fernsehprediger – doch die Begegnungen während der Busfahrt lassen in ihr die Erkenntnis reifen, dass es wichtigere menschliche Eigenschaften gibt als äußerliche Schönheit.

Der jungen Olive wiederum scheint es ganz egal zu sein, was man auf Wettbewerben für „Schönheit“ hält – fast unerschütterlich ist sie davon überzeugt, dass sie zur LITTLE MISS SUNSHINE gewählt werden kann. Mit ihrer rundum dysfunktionalen Familie geht sie ebenfalls auf eine Reise, während der die inkompatiblen Passagiere nicht nur von der harten Federung ihres VW-Busses durchgerüttelt werden.

THE GOODBYE GIRL mit wunderbarer Musik des Broadwayroutiniers Marvin Hamlish entstand nach dem gleichnamigen Film mit Richard Dreyfuss von 1977, der in Deutschland als „Der Untermieter“ lief. Das Musical hat eine übersichtliche Besetzung auf der Bühne und ein großes, traditionelles Orchester im Graben. In der Broadwaypremiere spielten Musicalstar Bernadette Peters und der Comedian Martin Short die Hauptrollen.

Wie die von Leben und Liebe enttäuschte Paula, ihre unkonventionell eigenständige Tochter Lucy und der etwas schräge Elliott nach ausführlichen Kämpfen und Diskussionen schließlich zusammenfinden, ist eine romantische Komödie im besten Sinne. Marvin Hamlish gewann mit THE GOODBYE GIRL den Drama Desk Award für "Outstanding Music", Hauptdarsteller Martin Short den "Theatre World Award".

Das Musical VIOLET, 1997 uraufgeführt, 2014 am Broadway und 2019 im West End produziert, basiert auf einer Erzählung der US-Autorin Doris Betts und enthält Musik von Jeanine Tesori (SHREK, HÖLLISCH MODERNE MILLIE). Auch diese Show hat ein mittelgroßes Ensemble mit starken Hauptrollen, und die eher sparsame Instrumentation ist charakteristisch genug, um Tesoris vielfältiger, von Gospel, Country sowie R&B inspirierter Komposition zu genügen.

Die Titelheldin dieses berührenden Musicals macht auf ihrer Reise eine enorme emotionale Entwicklung durch. Der meist ungnädige Kritiker Charles Isherwood von der New York Times schrieb über die Broadwaypremiere mit der fabelhaften Sutton Foster, VIOLET sei „a moving story of a woman grappling with shame, self-delusion and the fear that a deformity will forever leave her standing alone outside the circle of humanity”.

“Am I pretty?”, fragt die kleine, nicht sehr niedliche Olive ihren ziemlich verrückten Großvater auf dem Weg zum Wettbewerb, bei dem sie unbedingt LITTLE MISS SUNSHINE werden will. „You’re the most beautiful girl of the world“, antwortet dieser (oder wenigstens das drittschönste Mädchen, wie er noch ergänzt). Ausgerechnet mit ihm hat Olive ihre Nummer für den Schönheitswettbewerb einstudiert: Ausrichter und konkurrierende Mädchen erleben ihr blaues Wunder, und gewinnen tut sie (natürlich) nicht. Jedenfalls nicht den Hauptpreis, aber stattdessen ihre bis dahin eher abschreckende Familie: die überforderte Mutter, den erfolglosen Vater, den depressiven Onkel, den schweigsamen Bruder.

Das Musical LITTLE MISS SUNSHINE basiert auf dem gleichnamigen Film von 2006 und erlebte 2013 seine Off-Broadway-Erstaufführung. Zurzeit läuft eine Produktion in London und auf UK-Tour. Der Standard nannte die Show „a feelgood road trip“ und “an appealing story”. Die New York Times beschrieb William Finns Musik und Gesangstexte anlässlich der dortigen Produktion als „light-fingered melodies and well-turned lyrics, often infused with dark, acerbic humor”.

Die drei hier vorgestellten Musicals sind noch nicht in Deutschland aufgeführt worden und somit zur deutschsprachigen Erstaufführung frei. Übersetzungen sind in Vorbereitung, englisches Ansichtsmaterial steht zur Verfügung.


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