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Familiengeschichte ohne Kronleuchter und Katzen: ASPECTS OF LOVE

Carsten Lepper inszenierte Lloyd Webbers exquisites Musical am Theater Münster. Wir haben ihn dazu befragt.

ASPECTS OF LOVE am Theater Münster (Foto: Theater/Martina Pipprich)

Carsten Lepper inszeniert ASPECTS OF LOVE am Theater Münster (Foto: Christian Ariel Heredia)

Michael Ball, der in der Uraufführung den Alex spielte, singt dessen ikonischen Song "Love Changes Everything".

Auch wenn der Song "Love Changes Everything" zum Evergreen geworden ist, gehört ASPECTS OF LOVE zu den seltener inszenierten Musicals von Andrew Lloyd Webber. Den Erstaufführungen in Deutschland und der Schweiz widmeten sich renommierte Theater in Dresden und Bern. 2020 ging die Österreich-Premiere über die Bühne, mit einer prominenten Hauptdarstellerin (Wietske van Tongeren) und in der Regie von Carsten Lepper, für den die ASPECTS OF LOVE sozusagen alte Bekannte sind, denn er sang die männliche Hauptrolle Alex in der Schweizer Erstaufführung.

Während die mehrfach preisgekrönte Wiener Produktion im Kammerformat glänzte, hat sich Lepper nun an die große Version gewagt – im Theater Münster. Premiere war am 26. Oktober. Auch in London kommt ASPECTS OF LOVE wieder auf die Bühne: Die neue West-End-Produktion startet am 12. Mai 2023 im Lyric Theatre.

Eine ausführliche Information zu ASPECTS OF LOVE finden Sie mit diesem Link (pdf-Datei).
 
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Herr Lepper, Sie haben ja eine persönliche Beziehung zum Musical ASPECTS OF LOVE. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren „Erstkontakt“?

Mein „Erstkontakt“ war ein sehr spezieller: Das Stück war mein Profi-Debüt im Bereich Musical. 1999 habe ich nach meiner Schauspielausbildung noch einen Aufbaustudiengang an der damaligen STELLA R1 Academy in Hamburg gemacht. Dann kam ein junger Regisseur namens Stephan Huber an unsere Schule und ließ alle männlichen Studenten für eine Produktion der West Side Story vorsingen. Ich habe brav „Maria“ vorgesungen und er fragte mich, ob ich zum nächsten Tag „Love Changes Everything“ und „Seeing is Believing“ vorbereiten könne. ASPECTS OF LOVE – hatte ich schon mal gehört, kramte in meinen CDs herum und fand, laut meiner Notiz in Schülerschrift auf der Hülle, meine erste Musical-CD überhaupt. Die Erstaufführung mit Michael Ball, ich war hin und weg. Man muss dazu sagen, dass ich mich damals noch nicht wirklich gut im Musical auskannte. War quasi noch grün hinter den Ohren. Jedenfalls sang ich ihm vor, wurde bald darauf zur offiziellen Audition nach Bern bestellt und durfte schließlich Alex in der Schweizer Erstaufführung spielen.
 
War die eigene Erfahrung mit gerade diesem Musical ein Grund für das Wiener Projekt und dessen Fortsetzung in Münster?

Aber natürlich. Es ist ja ein für die damalige Zeit eher untypisches Werk von Andrew Lloyd Webber. Statt herabstürzender Kronleuchter oder ungepflegter Katzen war da eine Familiengeschichte. Zum Teil sehr intim. Sehr direkt. Ohne viel Bombast. Musikalisch war es absolut mein Geschmack. In Münster spielen wir natürlich mit grossem Orchester. Ich selbst habe noch nichts gehört vom Orchester, da ich selbst in szenischen Proben stecke, freue ich mich umso mehr auf die zeitnahe Orchestersitzprobe. Ich kann mich noch sehr gut an die Berner Fassung erinnern, in der ich selbst gespielt habe. Das war wundervoll anzuhören. Nach so langer Zeit wieder den Score zu hören ist ein Geschenk.

Die Bühne in Münster ist um ein Vielfaches größer als jene in Wien. Bedeutet das quasi eine Neuinszenierung? Haben Sie bereits während der Wiener Arbeit neue Aspekte in diesem Stück entdeckt? 

Für Münster musste ich komplett umdenken. Auch wenn es ein intimes Werk ist, musste ich nun in meinen Gedanken für das große Haus umstellen. Die Probebühne des Theaters Münster ist nicht einmal so groß wie die eigentliche Bühne, aber ich habe von Anfang an erkannt, dass alle Emotionen viel größer gespielt werden müssen, dennoch nicht minder intim. Es ist so ein Drahtseilakt. ASPECTS OF LOVE hat viele melodramatische und auch skurrile Momente. Diese wirken auf der großen Bühne noch mal dramatischer. 

Ich habe tolle Kräfte mit an Bord*. Die herausforderndste Aufgabe war es, im recht überschaubarem Budget ein wirkungsvolles Set zu konzipieren, dass der Bühne des Theaters Münster gerecht wird und auch noch handhabbar ist - denn ASPECTS OF LOVE hat 40 Szenenwechsel! Das ist sehr viel und verlangt bei Darsteller*innen und der Technik-Crew hinter der Bühne höchste Konzentration. Das Bühnenbild musste des Weiteren so konzipiert sein, dass es auch abgebaut auf die Hinterbühne passt, ohne die Abläufe von anderen Produktionen zu gefährden.

Backstage ist es eine zweite Choreographie mit vielen Quick-Changes für Kostüme und Technik. Wir haben alleine 200 Requisiten auf der Bühne. Wien war eine andere, intime Inszenierung, und sich zu wiederholen, ist ja recht langweilig. So habe ich mit meinem Team für Münster ein komplett neues Konzept erarbeitet. Was allerdings geblieben ist: Unsere „Aspekte der Liebe“, die nicht nur in vielen Szenen in kleinen Rollen zu sehen sind, sondern auch viele, viele Umbauten selbst meistern. Ich ziehe den Hut vor diesen Kolleg*innen, mit welcher Ruhe und Gelassenheit sie meine Vision umsetzen. Ebenfalls mit an Bord ist Linda Koprowski. Sie hatte die Produktionsleitung in Wien und kennt das Stück mindestens genauso gut wie ich. Sie ist ein Fels in der Brandung und hält mir den Rücken frei. Ebenfalls ist mein "The Musical Showroom"-Partner Christian Heredia für Video mit dabei. Er kreierte neue Videos für Münster. Persönlich freue mich besonders, bald alle Gewerke zusammen auf der Bühne zu sehen und diese wunderbare Musik in ihrem vollen Glanz zu hören. 

*gemeint sind Henning Ehlert (Musik. Leitung), Charles Quiggin (Bühnenbild), Ales Valasek (Kostüm), Vanni Viscusi (Choreographie), Stephanie Erb (Lichtdesign) und Christian Ariel Heredia (Video). - Die Fragen stellte Jürgen Hartmann. Das Interview wurde per Mail geführt und basiert teilweise auf einem Gespräch zur Wiener Premiere.


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