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ONE TOUCH OF VENUS - Komödie mit Subtext

Kurt Weills erfolgreichstes Broadway-Musical ist endlich wieder in Deutschland zu sehen - in neuer Übersetzung.

Kurt Weill (Foto: Kurt Weill Foundation)

Motiv zu ONE TOUCH OF VENUS an der Staatsoperette Dresden

"Speak Low" in einer Coverversion mit Tony Bennett und Norah Jones

"I'm a Stranger Here Myself", Coverversion mit Kristin Chenoweth

Kurt Weills größter Erfolg in den USA – oder sein problematischstes Stück? Die Statistik zeugt von ersterem: ONE TOUCH OF VENUS lief ab 1943 über 500 Mal in Folge am Broadway, machte Mary Martin zum Star und enthielt mit „Speak Low“ den wohl populärsten amerikanischen Song von Weill. Der Weill-Spezialist Mark N. Grant schreibt in seiner VENUS-Würdigung auf den Internetseiten der Kurt Weill Foundation, dieses Werk sei die einzige traditionelle „musical comedy“ des Komponisten und habe scheinbar keine Innovationen enthalten. Allerdings sei ONE TOUCH OF VENUS die Antwort des Broadway auf die rassigen Filmkomödien von Ernst Lubitsch und enthalte mehr „riskanten Humor“ – mit zahlreichen sexuellen Anspielungen - als alle anderen Musicals jener Zeit. Insbesondere die Gesangstexte von Ogden Nash lohnten eine nähere Betrachtung, da sie ihren intelligenten Tiefgang oft erst auf den zweiten Blick entfalteten: Grant schreibt ihnen einen „goetheanischen Subtext“ zu, der das „ewige Thema von Madonna versus Hure“ entfalte. Die Musik von ONE TOUCH OF VENUS markiere darüber hinaus den Höhepunkt von Weills Fähigkeit, traditionelles amerikanisches Material und sinfonische Kunst zu verbinden.

Hierzulande war ONE TOUCH OF VENUS bisher kein großes Glück beschieden. Es gab zwar vereinzelte Produktionen seit den 1990er Jahren, bei denen aber laut den Rezensionen insbesondere die Übertragung ins Deutsche nicht recht funktionierte. Wir wagen nun einen neuen Anlauf: Der vielfältig erfahrene Übersetzer Roman Hinze hat sich intensiv mit ONE TOUCH OF VENUS befasst und eine neue deutsche Fassung vorgelegt, die im Mai 2019 von der Staatsoperette Dresden erstaufgeführt wird.

"Die Musik ist stilistisch sehr facettenreich und meisterhaft instrumentiert, die Songs reichen von sanften Liebesballaden zu swingenden Tanznummern und enthalten einige der wunderbarsten Weill-Nummern überhaupt", sagt der Dirigent Peter Christian Feigel, der ONE TOUCH OF VENUS an der Staatsoperette dirigieren wird. Mark N. Grant erkennt in Weills Musik, die nach großem Orchester verlangt, nicht nur jene unterschiedlichsten Stile wie Swing, Ragtime, Barbershop, Blues, Walzer und Operette, sondern auch unterschwellige Verbindungen zu früheren Werken wie „Die lustige Witwe“ ebenso wie Vorausahnungen von Musicals wie „Kiss Me, Kate“. Sogar auf den „Music Hall-Grand Guignol style“ von Stephen Sondheims SWEENEY TODD zeige ONE TOUCH OF VENUS passagenweise voraus, schreibt der Weill-Spezialist.

Nach der Uraufführung vor fast genau 75 Jahren schrieb der Rezensent der New York Post: „It is a pleasure to attend a new musical comedy that is adult, professional, comic and genuinely musical. It is a long time since we have heard a new and modern score in musical comedy that struck us as something at once popular and unusually fine.“ Mehr als vier Jahrzehnte später betonte die New York Times: „The show is ageless . . . . The Weill score is as varied as it is melodic, with waltzes and ballads sharing the stage with a barbershop quartet . . . . The artfulness in unison of music, lyrics and libretto make this musical well worth rediscovering.“ Ganz recht: Es ist wiederum dreißig Jahre später höchste Zeit, dieses ungewöhnliche Werk auch in deutscher Sprache neu zu entdecken.


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