In der entdeckerfreudigen Serie "Encores!" war in New York vom 18. bis 22. März 2020 Kurt Weills Musical LOVE LIFE geplant, das in deutscher Übersetzung von Rüdiger Bering bereits 2017 in Freiburg und 2019 in Bern zu sehen war.
In LOVE LIFE - das Weill gemeinsam mit dem aufstrebenden Autor Alan Jay Lerner konzipierte - realisierten die Autoren eine sehr moderne Dramaturgie, die weit in die Zukunft des Musicals weist. Weill, an "Brechtscher" Dramaturgie geschult, und Lerner, der auch große "Book Musicals" wie BRIGADOON, CAMELOT oder AUF NACH WESTEN! schrieb, schufen mit LOVE LIFE, als "Vaudeville" untertitelt, ein Scharnier zwischen diesen diversen Ansätzen unterhaltenden Musiktheaters. Vielleicht gerade weil es so sehr seiner Zeit voraus war, musste LOVE LIFE lange auf ein Revival warten.
Die deutsche Premiere in Freiburg sorgte für größtes Erstaunen. "Die Vielfalt musikalischer Stile und Ausdrucksweisen" verblüffte den Rezensenten der NMZ, laut dem das Werk "dem alten Thespiskarren und dem barocken Maschinentheater näher (steht) als der Traumfabrik von Hollywood". "Kapitalismuskritik durchzieht das ganze Stück", schreibt die NZZ, und der Südkurier resümierte: "Weill ist ein Verwandlungskünstler".
Anlässlich der Übernahme der Freiburger Produktion nach Bern schrieb der dortige "Bund", Weills "komplexe Partitur" sei "nicht zu unterschätzen. Das geht vom Madrigal über Polka, Ragtime, Jazz und Blues bis hin zu dem, was wir auch heute noch unter Musical verstehen". Ganz ähnlich hatte schon die New York Times über die Uraufführung vor über siebzig Jahren am Broadway geurteilt: "(Weill) has never composed a more versatile score with agreeable music in so many moods - hot, comic, blue, satiric, and romantic".
LOVE LIFE wartet einerseits mit einer überschaubaren Zahl an Hauptrollen auf, ist aber andererseits mit zahlreichen Nebenrollen eine dankbare Aufgabe für einen spielfreudigen Chor, die in Freiburg und Bern mit Bravour bewältigt wurde ("Der Star ist der Chor", lautete eine Berner Rezension). Die große Orchesterbesetzung macht dieses ungewöhnliche Musical zu einem reizvollen Projekt für neugierige Theatermacher an Staats- und Stadttheatern.