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Das Leben und das Werk von William Shakespeare regen seit Jahrzehnten Künstlerinnen und Künstler aller Genres zu fantasievollen Adaptionen an. Das schließt den Musicalbereich ein, wie sich an dem im Renaissance-England spielenden Stück SOMETHING ROTTEN! zeigt. Die 2015 für zehn Tony Awards nominierte Liebeserklärung an das Genre Musical von John O’Farrell, Karey Kirkpatrick und Wayne Kirkpatrick über zwei fiktive Konkurrenten des elisabethanischen Dichtergenies, die zufällig das Musical erfinden, ist im Landestheater Linz erstmals in deutscher Sprache zu erleben.
Petra und Helmut Huber schreiben im Online Merker, SOMETHING ROTTEN! erzähle eine „Geschichte aus Konkurrenzneid, Ideenklau, Feminismus, Gedankenfreiheit, Puritanismus und natürlich auch Verschwörungstheorien um die wirklich wahre Autorschaft von Shakespeares Werken“, wobei die Texte von „köstlichen Frechheiten, ‚schmutzigen‘ Anspielungen, Seitenhieben aufs Regietheater und politischer Unkorrektheit durchzogen“ seien. Die Musik erstrecke sich über „unendlich viele Stilrichtungen“ und klinge „stets unterhaltsam und abwechslungsreich“. Zur deutschen Übersetzung heißt es: „Roman Hinze [und Niklas Wagner demonstrieren], wie man Sinn, Rhythmus und Witz wahrt – […] textlich ist der Abend mit seinen pointierten Zitaten von Shakespeare und aus zahllosen Musicals von THE FANTASTICKS bis WEST SIDE STORY, von STARLIGHT EXPRESS bis MY FAIR LADY ein Vergnügen!“
Als „rasanten Musical-Spaß“ bezeichnet Barbara Duftschmid SOMETHING ROTTEN! im Oberösterreichischen Volksblatt. Die Handlung beschreibt sie als „Reihe von spaßigen Ereignissen und Verwechslungen voll mit schwarzem Humor und Musicalparodien“, die „ein Mekka für Musicalfans, garniert mit zahlreichen Querverweisen auf Shakespeares Dramen“ sei. Zur Musik schreibt Duftschmid: „Die schmissigen und eingängigen Songs wie der Opener ‚Welcome to the Renaissance‘, ‚God I Hate Shakespeare‘, ‚Make an Omelette‘ oder ‚A Musical‘ sind vielseitig und originell. Sie bieten einen bunten Strauß an verschiedenen Musikstilen.“
„SOMETHING ROTTEN! schreibt die Musical-Geschichte neu“ betitelt Florian Maier seine Rezension des Stücks für Musical Today und führt aus: „Die herrlich respektlose Liebeserklärung an das Musical-Genre schrammt schamlos an der Grenze der Gürtellinie […] vorbei, spielt mit Klischees und treibt einem gleichzeitig die Lachtränen vor lauter absurder Wendungen in die Augen.“ Zur Musik des „extrem intelligenten Stücks“ erklärt Maier, sie rolle „vom klassischen Broadway-Sound über rockige Elemente bis zum Rap-Schlagabtausch […] einen bunten Klangteppich aus.“ Besonderes Lob findet Maier für die „deutsche Fassung von Roman Hinze und Niklas Wagner, [die] eine Meisterleistung für sich [sei und] die mit dem Sprach-Clash von Renaissance und Gegenwart unterhaltsam jongliert“.
Ein weiteres preisgekröntes Broadway-Musical des 21. Jahrhunderts ist mit HAIRSPRAY aktuell im Theater Bonn zu sehen. „Wer sich im Theater für schwungvolle Unterhaltung interessiert, die – angereichert mit einer guten Prise Humor – dennoch eine wichtige Botschaft vermittelt, kommt derzeit um einen Besuch im Theater Bonn nicht herum“, schreibt Markus Lamers im Opernfreund über die Produktion, die er an anderer Stelle als „ganz großen Wurf“ bezeichnet. Zur Musik von HAIRSPRAY mit seiner „humorvollen Geschichte [sowie] nachdenklichen Momenten“ erklärt Lamers: „Marc Shaiman hat zu dieser Geschichte wunderbare Songs komponiert, die die 60er Jahre wieder lebendig werden lassen. Mit ‚Good Morning Baltimore‘ und ‚You Can’t Stop The Beat‘ gibt es am Anfang und am Ende des Musicals zwei echte Ohrwürmer, die noch lange nach dem Besuch im Ohr bleiben.“
Von einem „rundum stimmigen Unterhaltungsgaranten“ mit „relevanten Botschaften gegen die Diskriminierung sämtlicher Minderheiten, vor allem der nicht-weißen oder der nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechenden Bevölkerungsgruppen,“ spricht André Böke in der Musicalzentrale. Marc Shaimans Musik beschreibt er als Mischung aus „widerhallendem Downtown-Rhythm, souligem Blues und 60er-Tanzmusik“. Auch Axel Hill spricht in der Rundschau Online von einem „Musical-Spaß mit ernster Botschaft“ und führt aus: „Das Musical [wird], wie schon der Originalfilm von John Waters, zum Statement gegen Rassismus und Diskriminierung. Mit einer Leichtigkeit werden hier exzellente Unterhaltung und eine (gesellschafts-)politische Botschaft kombiniert.“ Die Songs von Marc Shaiman seien zudem „eingängig und orientieren sich an vielen Hits der 1960er Jahre“.
Christopher Filipecki lobt in seiner Rezension auf minutenmusik.de wiederum vor allem die zeitlosen Qualitäten des „Feel-Good-Musicals der allerersten Güte“ und erklärt: „Es sind Themen, die leider nie aus der Mode kommen: Integration. Gleichberechtigung. Diversität. Lediglich die Gruppierung der Menschen, um die es sich dreht, wechselt hin und wieder.“ Auch von der Musik zeigt sich Filipecki begeistert: „Ohrwurm reiht sich an Ohrwurm, große Komposition an eine noch größere.“ Der Song „Niemand stoppt den Beat“ zähle laut Filipecki sogar „ohne Diskussion zu den besten Musicalsongs der 00s“. Die „relevanten Themen in dieser in Baltimore angesiedelten Komödie (Mutter-Tochter-Beziehungen, Coming of Age, Außenseitertum und rassistische Diskriminierung)“ sind auch für Karin Coper das Besondere an HAIRSPRAY, wie sie in Musical Today betont. Sie führt aus: „Gepackt [sind all diese Themen] in federleichte Form, versehen mit märchenhaften Zügen und allumfassendem Happy End. Solch positive Utopie tut gut in so konfliktreichen Zeiten wie den heutigen.“
Deutlich ernstere Töne schlägt das Musical DOKTOR SCHIWAGO an, das jüngst am Mittelsächsischen Theater in Döbeln und Freiberg Premiere feierte. Sarah Hofmann verweist in ihrer Rezension des Musicals für die Freie Presse zurecht auf die frappierenden Parallelen der Handlung zur Gegenwart und benennt als Kernbotschaft, „wie grausam und sinnlos Krieg ist und dass es dabei nur Verlierer geben kann“. Zum Inhalt führt sie aus: „Unter dem Deckmantel einer Liebesgeschichte [wird] der große Umbruch Russlands vom Zarenreich über den Ersten Weltkrieg und die Oktoberrevolution hin zu den Wirren danach erzählt.“
Zur Umsetzung des Romans von Boris Pasternak durch Lucy Simon, Michael Weller, Michael Korie und Amy Powers heißt es weiter: „Taugt DOKTOR SCHIWAGO zum Musical? Interessanterweise: ja, durchaus. Die Verknüpfung von Spiel, Gesang und eingängiger Musik lässt die Geschichte weniger schwer erscheinen, ohne ihr die Tiefe zu nehmen. Das Format lädt zum Mitfühlen ein und öffnet den wuchtigen Stoff.“ „Liebe in Zeiten von Krieg und Gewalt“ sieht auch Jens Daniel Schubert in der Sächsischen Zeitung als Kernthema des Stücks. Der Musik von Lucy Simon attestiert er einen „typischen Musicalsound“, wobei die Songs „Glanzmomente für Musicalsänger“ darstellen.
Ein Gegenwartsmusical ist aktuell mit ONCE in Esslingen zu bewundern. Als „bittersüße Liebesgeschichte um einen desillusionierten Straßenmusiker und eine Klavierspielerin“ beschreibt Angela Reinhardt das auf dem gleichnamigen Film basierende Stück in ihrer Rezension für Musical Today und lobt besonders den „melancholischen Zauber der ungewissen Beziehung zwischen den beiden Protagonisten“. Zum Score von Glen Hansard und Markéta Irglová heißt es: „Es ist Songwriter-Musik, meist im irischen Folkrock-Stil, manchmal auch mit tschechischen Folklore-Klängen: wütende oder flehende Love-Songs, sprudelnde Instrumental-Nummern oder leise, in sich gekehrte Klavierballaden […]. Übersetzt wurden sie von Sabine Ruflair und immer wieder staunt man, wie perfekt die Lieder […] in die Dialoge passen. Nicht nur der Hit ‚Falling Slowly‘ bleibt im Ohr.“
In der Stuttgarter Zeitung bezeichnet Angela Reinhardt das Musical als „ebenso ungewöhnliches wie tragikomisches Stück“ und erklärt: „ONCE, das Musical, ist ein Stück über normale Menschen, die sich durchs Leben schlagen. Statt großer Gefühle weht eine leise Romantik durch die karge Handlung, die Liebe ist in vielen guten Songs versteckt.“ Zum inhaltlichen Kern des Musicals schreibt sie weiter: „Hier wird die Musik selbst zum Thema, letzten Endes rettet sie all die Underdogs dieses Stücks, tröstet sie über Armut, Job- oder Liebesverlust, über Frust und Fremdsein hinweg.“
Von einem „Musical-Kleinod“ spricht André Böke in der Musicalzentrale und führt aus: „Die unprätentiös vorgetragenen, oftmals stillen Lieder im Irish Folk Stil […] gehen direkt ins Herz.“ Weiter schreibt Böke, dass die „Stärke dieses Bühnenwerkes die Intensität der intimen Momente zwischen den beiden Hauptfiguren“ sei, betont jedoch zugleich: „Heitere Momente wie das Lied vom Banker ‚Verenden in Brandon‘ […] oder das verrückte Lied vom Möchtegern-Spanier Billy ‚Schmetterling auf der Tanzfläche‘ strapazieren die Lachmuskeln und wirken der wunderschönen Melancholie des Stückes auffrischend entgegen.“ Bökes Fazit zu ONCE: „Theatermagie in seiner reinsten Form, die die pure Kraft von Musik für alle im Saal spürbar macht.“