Gene Kelly tanzt mit einem Schirm durch den Regen, springt ekstatisch in Pfützen und hat ein Lächeln im Gesicht, das jeden Zuschauer mit guter Laune ansteckt – der Song SINGIN’ IN THE RAIN und die dazugehörige Regensequenz aus dem gleichnamigen Film von 1952 sind Ikonen der Kinogeschichte.
Entstanden war die Musiknummer schon 1929 für einen der ersten großen Musicalfilme des Hollywood-Studios MGM. Hier wird der Song gleich mehrfach eingesetzt, unter anderem im Finale, wo er von einem riesigen Ensemble in Regenmänteln vor der Arche Noah dargeboten wird – Damien Chazelle hat diese Szene 2022 in seinem Film „Babylon“ detailverliebt nachgestellt.
Die Entstehung eines Filmklassikers
Dass der populäre Song in den 1950er-Jahren eine Renaissance erlebte, liegt an Arthur Freed, der dessen Text verfasst hat. Freed war seit 1939 Leiter der nach ihm benannten „Freed Unit“ und für die Produktion der ausladenden MGM-Filmmusicals verantwortlich. Anfang der Fünfziger hatte Freed die Idee, einen Musicalfilm zu drehen, der sich aus den Songs, die er in der Frühzeit des Tonfilms mit Komponist Nacio Herb Brown für MGM verfasst hatte, speiste.
Er wandte sich hierfür an das Autorenteam Betty Comden und Adolph Green (PETER PAN), deren einzige Vorgabe für das Drehbuch war, dass es möglichst viele seiner Songs verarbeiten sollte und den Titel SINGIN’ IN THE RAIN zu tragen habe. Comden und Green entwickelten, inspiriert durch die Entstehungszeit der Songs, eine Handlung, die sich mit einem der zentralen Ereignisse in der Geschichte Hollywoods beschäftigt: dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, der 1927 durch Warner Bros.’ Film „The Jazz Singer“ eingeleitet wurde.
Ein Abgesang auf das alte Hollywood
Binnen kürzester Zeit wandelte sich damals die amerikanische Filmproduktion. Stars der alten Ära, die nicht über eine adäquate Sprech- oder Singstimme verfügten, wurden von einer Generation junger Schauspieler mit Theatererfahrung verdrängt (was unter anderem in Andrew Lloyd Webbers SUNSET BOULEVARD und sogar in einer Episode der Serie "Downton Abbey" aufgegriffen wird). Aber auch Musiker, die in Stummfilmorchestern die Bilder auf der Leinwand untermalten, wurden von einem Tag auf den anderen obsolet. Die Protagonisten von SINGIN’ IN THE RAIN erleben diesen Wandel im Verlauf der Handlung am eigenen Leib.
Dass man gerade in den Fünfzigern auf eine solche Geschichte zurückgriff und einen nostalgisch-verklärten, eskapistischen Blick auf die „Goldene Ära“ Hollywoods warf, ist kein Zufall. Auch zur Entstehungszeit des Films war die amerikanische Traumfabrik im Wandel begriffen. Die zunehmende Beliebtheit des Fernsehens führte zu einer Krise in Hollywood und befeuerte die Auflösung des alten Studiosystems, dessen Produkte sowohl die frühen Tonfilme als auch das Filmmusical SINGIN’ IN THE RAIN waren. Der Film ist damit auch ein Abgesang auf das „alte" Hollywood.
Trotz manch kritischer Untertöne überwiegt bei SINGIN’ IN THE RAIN jedoch die positive Stimmung, und der Gute-Laune-Film wurde zu einem durchschlagenden Erfolg. Hieran haben insbesondere die legendären, im Original von Gene Kelly choreografierten Tanzsequenzen Anteil, die schnell ein Eigenleben jenseits des Films entwickelten und den Grundstein für dessen anhaltende Popularität bilden.
Der lange Weg auf die Bühne
Obwohl SINGIN’ IN THE RAIN in der Folge als „Filmmusical aller Filmmusicals“ galt, dauerte es erstaunlich lange, bis es zu einer Bühnenadaption des Films kam. Diese erlebte erst am 30. Juni 1983 ihre Uraufführung – und das bezeichnenderweise nicht, wie man bei einem derart amerikanischen Stoff erwarten könnte, am New Yorker Broadway, sondern in London.
Hier benutzte der britische Produzent Harold Fielding das Stück als Starvehikel für Tommy Steele, der nicht nur den Film für die Bühnenversion adaptierte, sondern zugleich Hauptdarsteller und Regisseur dieser ersten SINGIN’ IN THE RAIN-Bühnenproduktion war. Die Londoner Show wartete (wie typisch für die Megamusicals der Achtziger) mit einem ausladenden Bühnenbild und hohen Schauwerten auf, die in der Regenszene Ende des ersten Aktes kulminierten, und sie wurde zu einem großen Erfolg.
Ein Blick auf die Inszenierungsgeschichte
Da es sich bei SINGIN’ IN THE RAIN nicht um eine Originalkomposition, sondern um die Zusammenstellung präexistenter Songs im Geiste eines Jukebox-Musicals handelt, verändert sich das Stück – abhängig von der Lizenzlage einzelner Nummern – regelmäßig. Dies lässt sich beim Vergleich der Produktionen, die auf die Originalinszenierungen in London und New York (1985) folgten, anschaulich beobachten.
Von diesen gab es in den 1980er- und 1990er-Jahren allerdings zunächst nicht sonderlich viele. Auch in Deutschland wurde das Stück in den Neunzigern lediglich in Dresden (1994; deutsche Erstaufführung) und Hildesheim (1995) gespielt. Der nationale wie internationale Durchbruch gelang der Bühnenfassung von SINGIN’ IN THE RAIN erst in den 2000er-Jahren.
Angestoßen durch die Musicalversion von Mel Brooks’ Broadwaysatire THE PRODUCERS (2001) kam es nach der Jahrtausendwende zu einer Renaissance der Musical Comedy. In der Folge konnte sich auch SINGIN’ IN THE RAIN als Paradebeispiel eines heiter-leichtfüßigen Unterhaltungsmusicals auf den deutschsprachigen Spielplänen etablieren. Jüngst hatte das Stück sogar an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Premiere – in Heidelberg und Pforzheim.
Pressestimmen zu den aktuellen Produktionen
Von einem „ikonischen Musical mit einer süßen Geschichte und tollen Steppnummern“ spricht Celina Larab mit Bezug auf die Heidelberger Produktion in Musical Today. Alexander Dick beschreibt das Stück in der Badischen Zeitung als „eine Mischung aus steppender Revue, Show, Musical Play und Kammerspiel-Komödie: mit den Filmschlagern von damals, in den exzellenten Orchesterarrangements von Stanley Lebowsky und Larry Wilcox“.
Über die Produktion am Theater Pforzheim resümiert Manfred Kraft in den Badischen Neuesten Nachrichten: „Insgesamt erlebte man einen unterhaltsamen, stimmungsvollen Abend mit wunderbaren Melodien, hinreißenden Tanzszenen und einer charmanten Story“. Zudem lobt er „Nacio Herb Browns unvergängliche Melodien“, während Harry Schmidt in der Ludwigsburger Kreiszeitung den „beschwingten Bigband-Sound“ hervorhebt.
Wie die Pressestimmen unterstreichen, hat SINGIN’ IN THE RAIN auch 73 Jahre nach seiner Entstehung nichts an Popularität eingebüßt und ist auf deutschsprachigen Bühnen längst ein etablierter Musicalklassiker geworden.
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Text: Dr. Patrick Mertens
Zum Weiterlesen: Wolfgang Jansen: „SINGIN’ IN THE RAIN auf der Bühne. Zur internationalen Rezeption des Musicals“, in: „SINGIN’ IN THE RAIN. Kulturgeschichte eines Hollywood-Klassikers“, hrsg. von Joachim Brügge und Nils Grosch, Münster 2014, S. 91–101.