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Zwischen Anspruch und Unterhaltung

Die neueste Presseschau stellt fünf Musicals vor, die eher Kammerspiele als Show sind, aber dennoch große Wirkung entfalten.

LIEBE STIRBT NIE in Lüneburg (Foto: Theater/Jochen Quast)

BRIEFE VON RUTH in Wien (Foto: VBW/Herwig Prammer)

DRACULA in Freiberg (Foto: Mittelsächsisches Theater)

HEIRAT MICH EIN BISSCHEN in Bergkirchen (Foto: Hoftheater)

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Für Ungeduldige direkt zu den Stückinfos:

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Herzerwärmendes Musiktheater

In der Wiener Kammeroper fand Ende Februar die Zweitaufführung des Kammermusicals BRIEFE VON RUTH statt. Das Stück von Aksel-Otto Bull und Gisle Kverndokk erzählt vom Leben der jüdischen Wienerin Ruth Maier, die manchmal die „österreichische Anne Frank“ genannt wird. „Es ist der scheinbar undenkbare Versuch, das reale Holocaustschicksal einer jungen Frau als Musical zu erzählen“, heißt es in Martin Fichter-Wöß’ Rezension für die Nachrichtenagentur APA, „ein Versuch, der eindrucksvoll gelingt.“ Fichter-Wöß führt aus: „Das Stück nimmt sein Sujet schlicht ernst, bleibt ehrlich, opfert nichts. […] Es ist die stimmige Variante, eine ebenso tragische wie vergessene Geschichte gefällig und damit einem breiten Publikum zugänglich zu machen.“

„Statt mit […] Pop-Schlagern punktet BRIEFE VON RUTH mit schönen, durchkomponierten Melodien, Walzer-Anklängen, Swing-Elementen und ans Herz gehenden jiddischen Klängen“, schreibt Werner Rosenberger im Kurier. Das Stück halte dabei als „melancholisches, zugleich tragisches wie herzerwärmendes Musiktheater die Balance zwischen Anspruch und Unterhaltung“.

Besonderes Lob findet Gisle Kverndokks Komposition in der Rezension von Ljubiša Tošić im Standard: „Die im Grunde tonal gehaltene farbenreiche Musik […] bringt elegische Balladen, muntere Jazznummern und auch Zuspitzungen dissonanter Art. Die psychische Berg- und Talfahrt ist damit gut erfasst.“ Auch Susanne Dressler preist auf Musical Today die Partitur, die zwischen „zarten Liedern, kurzen Chorszenen und jazzigen Einlagen“ wechsele. Weitere Pressestimmen gibt es hier.

Dramatik und Menschlichkeit: „Webber ist Webber“

In Lüneburg feierte Anfang März das Musical LIEBE STIRBT NIE (LOVE NEVER DIES) Premiere, mit dem Andrew Lloyd Webber die Geschichte seines Evergreens PHANTOM DER OPER fortschreibt. André Böke zeigt sich in der Musicalzentrale von der „Dramatik und Menschlichkeit“ des Stücks begeistert. Er lobt Lloyd Webbers „opulente Melodien“ sowie den Kontrast aus „melodramatischer Emotionalität“ und den „rockigen Liedern des Phantoms“.

Das Stück habe in Lüneburg den Charakter eines Kammermusicals, so Böke, wobei Regisseur Friedrich von Mansberg es verstehe, „mit ruhigen, behutsamen Bildern die unterschwelligen Emotionen so nuanciert herauszuarbeiten, dass sogar Zuschauer, die mit der PHANTOM-Geschichte nicht vertraut sind, eine greifbare Charakterstudie der Protagonisten zu sehen bekommen.“ Das Publikum erlebe hierdurch „eine ganz neu gedachte, frische und emotional deutlich tiefgreifendere Theatererfahrung“. Frank Füllgrabe fasst LIEBE STIRBT NIE in der Landeszeitung kompakt zusammen: „Eingängige Melodien […], farbenreiche Orchesterarrangements in einem Sound zwischen Klassik und Rock […]: Webber ist Webber.“

Ein „schaurig schönes“ Vampir-Musical

An außergewöhnlicher Spielstätte, in der Nikolaikirche in Freiberg, ist derzeit DRACULA zu bewundern, ein Musical aus der Feder Frank Wildhorns (JEKYLL & HYDE, BONNIE & CLYDE, DER GRAF VON MONTE CHRISTO). „Dunkle Romantik in sakralem Glanz“, titelt Christoph Doerner auf kulturfeder.de und führt aus: „Wildhorns Musik ist bekannt für mitreißende Melodien und epische Klangwelten. Auch bei DRACULA zeigt sie sich von ihrer besten Seite.“ Gerade die „Mischung aus symphonischem Bombast, dramatischen Balladen und rockigen Elementen“ schaffe dabei eine eindrucksvolle Bandbreite, so Doerner. Besonders beeindruckend seien „die opulenten Chorszenen und die fein nuancierten Solonummern, die allen Darstellerinnen und Darstellern eine eigene musikalische Handschrift verleihen.“

Claudia Leonhardt benennt als Kernthema des Stücks in der Musicalzentrale das „Gegenspiel zwischen Licht und Schatten“ und lobt die Freiberger DRACULA-Inszenierung für ihre „Gänsehautmomente“. Von einem „Vampir-Musical“ mit „spätromantischer Erlösungsmystik“ und einer „schaurig schönen Show“ schwärmt Jens Daniel Schubert in der Sächsischen Zeitung, während Thilo Sauer bei MDR Kultur erklärt: „Mit der mitreißenden Musik von Wildhorn wird die klassische DRACULA-Geschichte nach Bram Stoker erzählt. […] Dabei geht es nicht nur um Monsterjagd, sondern auch um die Selbstbestimmung von Frauen – denn in gewisser Weise bietet Dracula seinen Opfern an, aus den gesellschaftlichen Zwängen auszubrechen.“

Alle Facetten der Liebe

Ein weiteres moderneres Musical ist mit DIE LETZTEN FÜNF JAHRE (THE LAST FIVE YEARS) von Jason Robert Brown (PARADE, DIE BRÜCKEN AM FLUSS) aktuell im Theater Uri in Altdorf zu bewundern. Von einem „berührenden Musical“, das die Themen „Liebe, Enttäuschung und Trauer“ behandle, spricht die Urner Zeitung. „THE LAST FIVE YEARS erzählt die Liebesgeschichte zwischen der Schauspielerin Cathy und dem Schriftsteller Jamie auf besondere Weise“, wird der Inhalt hier zusammengefasst. „Jamie schildert die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge, während Cathy ihre Geschichte von der Trennung an rückwärts erzählt. Die beiden Perspektiven kreuzen sich nur einmal – in der Mitte des Stücks, am Tag ihrer Hochzeit.“

Jason Robert Browns Musik bestehe, so die Urner Zeitung weiter, aus „einer Mischung aus Pop, Jazz, Klezmer und klassischen Musical-Elementen“. In der Zuger Zeitung berichtet Markus Zwyssig: „Das Musical THE LAST FIVE YEARS bringt alle Facetten der Liebe: vom ersten Verliebtsein bis zum Trennungsschmerz. […] Das Publikum fühlt sich berührt über den Trennungsschmerz, kann aber auch lachen über die Momente der ersten Verliebtheit und sich mit den beiden freuen über den feierlichen Hochzeitstanz.“

Eine „Collage der Wünsche und Sehnsüchte“

Ein (bislang noch) recht unbekanntes Musical hat das Hoftheater Bergkirchen aktuell im Programm: HEIRAT’ MICH EIN BISSCHEN (MARRY ME A LITTLE) von niemand Geringerem als Stephen Sondheim (SWEENEY TODD, INTO THE WOODS, COMPANY). Von einem „bezaubernden Musical“ und einem „sehenswerten Meisterstück zärtlich-heiterer Melancholie“ spricht Dorothea Friedrich in der Süddeutschen Zeitung und führt aus: „Sondheim hat für HEIRAT’ MICH EIN BISSCHEN seine unveröffentlichten Songs zu einer Collage der Wünsche und Sehnsüchte zusammengestellt. Das ist großartige, tiefgehende Musik, ein musikalisches Gemälde mit einer ganzen Farbpalette von zartestem Aquarell bis zornigem, schreiendem Acryl. Das sind – in der deutschen Übersetzung von Frank Thannhäuser – hochkomplexe Texte, die die ganze Aufmerksamkeit des Publikums fordern.“


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