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Parlez-vous français?

Ob französische Literatur, Malerei oder Lebensart – anlässlich des französischen Nationalfeiertags stellen wir sieben Stücke vor, die verschiedene Facetten der Kultur und Gesellschaft unseres Nachbarlandes beleuchten.

SUNDAY IN THE PARK WITH GEORGE in Radebeul (Foto: Landesbühnen Sachsen/Pawel Sosnowski)

DER GRAF VON MONTE CHRISTO in Bremerhaven (Foto: Theater/Heiko Sandelmann)

ASPECTS OF LOVE in Münster (Foto: Theater/Martina Pipprich)

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN in Nordhausen (Foto: Theater/Tim Müller)

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Für Ungeduldige direkt zu den Stückinfos:

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Einer für alle – alle für einen

Alexandre Dumas’ Mantel-und-Degen-Spektakel DIE DREI MUSKETIERE über D’Artagnan, Athos, Porthos und Aramis, die sich gegen die Intrigen von Kardinal Richelieu und Milady de Winter behaupten müssen, zählt zu den bekanntesten Literaturexporten Frankreichs. George Stiles (SOHO CINDER*ELLA, JUST SO, BETTY BLUE EYES) und Paul Leigh haben den weltberühmten und vielfach verfilmten Roman in ein actionreiches Musical für die ganze Familie verwandelt.

Blickpunkt Musical beschreibt DIE DREI MUSKETIERE als „ein Stück übers Erwachsenwerden“, während die Neue Zürcher Zeitung den Score als „Theatermusik mit emotionaler Spannkraft“ lobt. Große Balladen treffen in diesem Musical auf ausgedehnte Ensembles, die mit Humor, Romantik – und natürlich jeder Menge Fechtkunst – aufwarten. Eine überarbeitete Neufassung feierte 2016 in Halle ihre deutsche Erstaufführung.

Attendre et espérer!

Nur ein Jahr nach seinem Bestseller DIE DREI MUSKETIERE publizierte Alexandre Dumas einen weiteren Abenteuerroman, der bis heute regelmäßig für Bühne und Leinwand adaptiert wird – zuletzt in einer neuen Kinoverfilmung: DER GRAF VON MONTE CHRISTO. 2009 schufen Frank Wildhorn (JEKYLL & HYDE, DRACULA, WONDERLAND) und Jack Murphy eine Musicalfassung des Romans, die den Lebensweg von Dumas’ Protagonisten Edmond Dantès nachzeichnet.

Dem wegen falscher Verratsvorwürfe unschuldig inhaftierten Seemann Edmond gelingt nach vierzehn Jahren im Gefängnis die Flucht. Nachdem er auf der Insel Montecristo einen immensen Schatz gefunden hat, kehrt er unter neuer Identität nach Frankreich zurück. Hier will er sich an den Männern rächen, die ihn einst verraten haben. Wildhorns Partitur bleibt, so hieß es in der Musicalzentrale anlässlich der Uraufführung in St. Gallen, „nachhaltig im Gedächtnis haften“ und gerade der Song „Niemals allein“ besitze „großen Wiedererkennungswert“. Die deutsche Erstaufführung fand 2012 an der Musikalischen Komödie Leipzig statt.

Love Changes Everything

Auch Andrew Lloyd Webbers ASPECTS OF LOVE basiert auf einer literarischen Vorlage. Das Kammermusical mit Liedtexten von Don Black (TELL ME ON A SUNDAY, SUNSET BOULEVARD) und Charles Hart (DAS PHANTOM DER OPER, LIEBE STIRBT NIE) spielt unter anderem in einer Villa am Fuße der Pyrenäen. Hier bildet sich ein dramatisches Liebesdreieck zwischen dem jungen Alex, der Schauspielerin Rose und Alex’ Onkel George. Im Laufe mehrerer Jahre zeigt das Musical Liebe in ihren unterschiedlichsten Facetten: familiär, romantisch, obsessiv und vergänglich.

ASPECTS OF LOVE ist ein Paradebeispiel dafür, wie Frankreich von englischen Künstlern als Sehnsuchtsort und Fluchtpunkt genutzt wird – etwa von David Garnett, Autor der Romanvorlage, oder vom britischen Autorenteam des Musicals. Andrew Lloyd Webbers Komposition zeichnet sich durch kraftvolle, emotionale Melodien aus, die in ein dichtes leitmotivisches Netz eingebettet sind. Der Song „Love Changes Everything“ wurde auch außerhalb des Musicals zu einem großen Hit.

Tout Paris trifft sich hier

Das Musical GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN basiert auf dem gleichnamigen Briefroman von Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos. Im Mittelpunkt der Handlung steht eine boshafte Wette zwischen der Marquise de Merteuil und dem Vicomte de Valmont, die einen kritischen Blick auf die Gesellschaft des vorrevolutionären Frankreichs eröffnet. Die Musicalfassung von Marc Schubring (Musik) und Wolfgang Adenberg (Buch und Liedtexte) feierte 2015 am Münchner Gärtnerplatztheater ihre Uraufführung.

Klaus Kalchschmid bezeichnet das Werk in der Deutschen Bühne als „musikdramaturgisch hervorragend gebautes Musical, das sich schon gegen Ende des ersten Akts zuspitzt und gegen Ende immer mehr Fahrt aufnimmt“. In gleich fünf Kategorien wurde das Stück beim Deutschen Musical Theater Preis 2015 ausgezeichnet. Eine weitere Inszenierung zeigte vor Kurzem das Theater Nordhausen. Jörg Beese lobte GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN in seiner Rezension zu dieser Produktion im DaCapo-Magazin als „intellektuelles Musical mit hohem Anspruch“.

Order, Design, Composition

Ebenso berühmt wie die französische Literatur ist die französische Malerei. Im Zentrum von Stephen Sondheims (SWEENEY TODD) und James Lapines (INTO THE WOODS) Musical SUNDAY IN THE PARK WITH GEORGE steht der Pointillismus-Maler Georges Seurat (1859–1891). Das Stück gibt nicht nur einen spannenden Einblick in den Entstehungsprozess von Seurats bekanntestem Werk, das Gemälde „Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte“, sondern ist gleichzeitig eine tiefgründige Reflexion über künstlerische Schaffensprozesse im Allgemeinen.

In seiner Partitur zeichnet Sondheim den pointillistischen Stil Seurats durch staccatoartige Begleitfiguren nach und schafft zugleich filigrane Klangflächen, die an die Musik der französischen Impressionisten erinnern. „Sondheim and Lapine demand that an audience radically change its whole way of looking at the Broadway musical“, verkündet Frank Rich, der gefürchtete Butcher of Broadway, 1984 anlässlich der Uraufführung in New York. „[They] have created an audacious, haunting, and in its own intensely personal way, touching work.“ Für dieses außergewöhnliche Musical wurden Sondheim und Lapine mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Everything might be different…

Frankreich ist jedoch nicht nur die pulsierende Metropole Paris. Auch das ländliche Frankreich findet bisweilen seinen Weg auf die Musicalbühne. THE BAKER’S WIFE etwa entführt das Publikum in das kleine provenzalische Dorf Concorde im Jahr 1935, dessen Bewohner zu Beginn des Stücks gespannt auf die Ankunft eines neuen Bäckers warten. Dessen junge Frau sorgt mit ihrem koketten Verhalten bald für Unruhe in der verschlafenen Gemeinde.

Komponist Stephen Schwartz (GODSPELL, PIPPIN) greift in THE BAKER’S WIFE vielfach auf Akkordeonklänge und rauschende Tanzrhythmen zurück, die den französischen Schauplatz atmosphärisch einfangen. Gleichzeitig sind Einflüsse des musikalischen Impressionismus unverkennbar – etwa im Song „Meadowlark“, der über das Musical hinaus große Bekanntheit erlangte. Das Libretto von Joseph Stein zeichnet zudem ein vielschichtiges Bild des französischen Dorflebens – mit deutlichen Parallelen zu Steins größtem Musicalerfolg ANATEVKA. Im vergangenen Jahr gab es eine Neuproduktion des Musicals in der Menier Chocolate Factory in London.

Paris und das Lied der Liebe

Zurück in die französische Hauptstadt geht es mit DAS VEILCHEN VOM MONTMARTRE, einer selten gespielten Operette von Emmerich Kálmán (DIE CSÁRDÁSFÜRSTIN, GRÄFIN MARIZA). Das Stück handelt vom Künstlertrio Raoul, Florimond und Henri, das im Pariser Stadtteil Montmartre lebt. Die drei werden von ständigen Geldsorgen geplagt und streben dennoch nach künstlerischer Verwirklichung. Unterstützung erhalten sie von der Titelheldin Violetta, mit deren Hilfe sich am Ende alles zum Guten wendet.

DAS VEILCHEN VOM MONTMARTRE enthält nicht nur den Evergreen „Heut’ Nacht hab’ ich geträumt von dir“, sondern auch musikalische Paris-Hymnen wie Violettas Arie „Ich sing mein Lied im Regen und Schnee“. Kálmáns Partitur verbindet französisches Flair mit ungarisch-wienerischer Tanzlust. Bei MDR Kultur beschreibt Manuel Brug die Musik der Operette als „walzerselig ungarisch papriziert, ein wenig Tango und Tarantella inklusive“.

PS: Im Genre Operette gehört französisches Flair ohnehin zur DNA. So ärgert und amüsiert sich DIE LUSTIGE WITWE in Paris, der BALL IM SAVOY findet im südlichen Nizza statt, DER OPERNBALL natürlich in der Hauptstadt. Diese ist auch Spielort von FRASQUITA, EVA und CLO-CLO, drei weniger bekannten Lehár-Juwelen, sowie Kálmáns KAISERIN JOSEPHINE.


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